Eben Ezer den 19 Junii 1736
HochEhrwürdiger
In dem Herrn Jesu sehr theurer u. Werther Herr Professor,
 
Ew. HochEhrwürden erbauliche Briefe von verschiedenen datis, als vom
17 May, 13 Jul. und 28 7br vorigen Jahres, sind uns gleich den andern
der vorigen Zeit richtig zu Händen kommen. Der barmhertzige und liebreiche
Gott ist von uns besonders und in der Gemeine über den Inhalt der-
selben, welcher uns zu vielen Unterricht und Trost in unsern damahls
bekümmerten Umständen gedienet, viel gelobet worden. Des Herrn Wege ge-
hen gar tieff und verborgen, und ob sie wohl anfangs gar dunckel sind,
so klären sie sich doch denen, die sich durch Gehorsam und Geduld darinn
üben laßen, durch die wunderbahre Weißheit Gottes dergestalt auf, daß man
seine heilige und gute Absicht, die er bey den Prüfungen seiner Kinder hat, zu
seinem Lobe ziemlich erkennt, biß es ihnen endlich in jenem ewigem
Lichte völlig klar und deutlich wird. O wie gut meinet es Gott mit uns
beyden? Durch gute Tage würden, wie uns dünckt, unsere Seelen wohl
schwerlich gerettet werden können, und das Leiden und viele Bekümmernis, die
wegen der leibl. Noth unserer lieben Gemeine auf uns gefallen, hat
zwar dem Fleische wehe gethan, und viele Krafft des Leibes verzehret, die Welt
aber und dieses gegenwärtige jammervolle Leben ist uns dadurch nur desto
bitterer und das Sehnen nach der vollkommenen Ruhe im Hause des Vaters
desto stärcker worden. Der gute und weise Gott übe uns ferner: er leite uns
nach seinem Rath und Wohlgefallen, und laße uns nach seiner Güte und Weiß-
heit alle Zeit unserer Gemeine ein Vorbild seyn nicht nur im Wort und
Wandel sondern auch im Leiden um der Sache und Ehre Jesu willen. Ob
nun gleich Herr Oglethorpe schon eine geraume Zeit wieder in dieser Co-
lonie ist, und man gemeinet hat, durch seine gütige Vorsorge und Ver-
anstaltung aus den meisten beschwerlichen Umständen errettet zu werden,
so zeiget uns doch Gott1 nun eben dies in der Erfahrung, was Sie
in Ihrem Briefe melden, nehmlich daß "allein der fromme Gott unser
einiger, bester und gewißer Trost sey und bleibe, und wo der nicht
helfe, Menschen-Hülffe nichts sey". Zu des Herrn Oglethorpes Liebe und
Gewogenheit gegen unsere Gemeine haben wir uns freilich viel Gutes
versehen, auch durch andere viele gute Hoffnung machen laßen, doch da uns
ietzt unsere Hoffnung und gute Meinung ziemlich fehlschläget, so deucht uns
dis nicht fremde Dieng seyn, sehen auch nicht auf Menschen, sondern auf
unsern Herrn, der alle Dienge träget durch sein kräfftig Wort, und der
sich die Zeit und Stunde noch vorbehalten hat seinen Seegen auch im
Leiblichen über uns zu gebieten. Wir haben uns schon vor der Ankunfft
des Herrn Oglethorpe mit unserer Gemeine verbunden gehabt, im Gebet
ernstlich anzuhalten, und seiner Hertzens lenckende Krafft dem Herrn Ogle-
thorpe und seine Anschläge in und Absicht auf unsere leibl. Umstände all zu
empfehlen, und wollen wir als denn ruhig und stille seyn, er mache
es, wie er wolle. So weit ists durch göttl. Vorsorge gekommen,
daß er uns nach vielen gemachten Dificultaeten Erlaubniß gegeben zwar
nicht an dem ihm vorgeschlagenen sondern an einem andern fruchtbahren,

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