praes. d. 20 Jul. 99
[respo.] m. Nov. __
EbenEzer,
den 2. April.
1799.
Theurer und geliebter Freund!
Im Jahr 86 musten wir wider Vermuthen schnell von einander in diesem
Leben Abschied nehmen, und welche wichtige Begebenheiten haben sich seit jenem
Jahre bis auf dieses gegenwärtige ereignet! Noch immer denke ich mit gerührten
Hertzen an die Liebe und Freundschaft, die Sie mir in Halle erwiesen haben,
die nun gegenwärtig wieder erneuert worden ist. Daß Herr Pastor Obern
und Freund Hubert noch am Leben sind erfreuet mich sehr, und ich an meiner
Seite bekenne vom Lob und Dank durchdrungen: Bis hirher hat der HErr geholffen!
Mit Verwunderung ersehe ich aus Ihren mir schätzbaren Brief, daß auch der mir
so theure Herr Inspector Stoppelberg zu seiner Ruhe eingegangen ist. 93 erhielt
ich einen trostvollen AufmunterungsBrief von dem lieben Manne. So sind
wohl auch in Halle viel Veränderungen seit jenen Jahren vorgegangen. Bei meiner
gegenwärtigen vielen Arbeit konnte ich die Packete, die in Charleston bisher zu-
rückgehalten worden waren, und die wichtigen MissionsNachrichten nicht gleich durch
gehen. Nun wird es geschehen, da ich auch Manches zum Nutzen für andere Denomi-
nations oder Abtheilungen ins Englische übersetzen will. In Georgien sind die
Wissenschaften noch in ihrer ersten Kindheit.     Den 25. Mart. Abends erhielt
ich von Savannah die Briefe aus Deutschland, da ich mich auf den Charfreytag zube-
reitete. Ein gesegneter Abend! Seit einigen Jahren war der Briefwechsel nach Deutsch-
land nicht richtig gegangen. Die Ursachen sind mir jetzt bekannt, und die Hindernisse
gehoben.   Mein geringes Einkommen verbietet mir zu reisen. Doch bin ich da-
mit zufrieden. Um zeitlicher Vortheile willen gieng ich nicht über das Meer in
diesen Welttheil. Da ich alles genau zusammen nehmen muß ohne zu geitzen, denn
davor habe ich einen Abscheu, so muß ich alles durch Briefe ausrichten. Wie wohl be-
kommt mir meine ehemalige drückende Armuth in Deutschland, von der ich aber
öffentlich zu reden nicht für gut befinde. Die Gemeine in EbenEzer ist auch sehr arm,
manche verschulden ihre Armuth durch den Trunk. Dieses Laster ist hier allgemein
und privilegirt, und so gar Angesehene suchen eine Ehre darinnen, eine beträchtliche
Zahl Menschen werden ein Raub des Todes, ehe sie ihr Ziel erreichen. Von meinen
Verhalten pflegen die Leute hier mancherley Urtheile zu fällen, da sie doch meine
Lage und Verhältnisse nicht kennen. Das Innere ist Wichtiger. Darnach kann uns kein
Mensch beurtheilen, das wird immer durch Gottes Gnade bey mir Hauptsache bleiben.
des Herrn Pastor Nebe HochEhrw.