Liebe Mutter,1
 
Ich hoffe ihr werdet dieienigen Briefe, die ich kurtz
vor meiner Abreise theils aus Halle theils aus Werni-
gerode an euch geschrieben, recht empfangen haben. In
den letzten den euch die Fr. Arnoldin aus Leipzig zustellen
sollen, haben 10 Reichstaler am Golde gelegen, die ich euch zu eurer
Erquickung habe schicken wollen. Ich glaube wol liebe Mutter
es werde euch etwas schmertzlich seyn, daß ich einen so weiten
Weg von euch gereiset, und nicht einmal Abschied von
1euch nehmen können. Dencket ja nicht als hätte ich keine
kindliche Liebe zu euch sonst würde ich etwann diesen
Beruf nicht angenommen haben oder doch euch um Rath
gefraget haben. Den Beruf konte ich ohnmöglich aus-
schlagen, sonst wäre ich den himmlischen Vater un-
gehorsam gewesen, als welcher mich von seinem Wil-
len genugsam versichert. Von euch mündlich Ab-
schied zu nehmen ließ die Zeit nicht zu: ich mußte
meiner lieben Gemeinde, die schon unter Weges war
nach eihlen mit meinem lieben Collegen nach-
eilen, vieleicht meinet ihr, der Weg sey gefährl.
und ich werde an meiner Gesundheit Schaden
nehmen: Aber ihr wißet wohl, daß der Allmächti-
ge Gott allenthalben ist; auf den traue ich, und
der hat mich auch bißhieher in meinem Vertrauen
nicht zu schanden werden laßen, sondern mich
zu meiner eigenen Verwunderung so gesund
und munter gemacht, als ich weder in Berlin
noch Halle gewesen. Außer dieser großen
Wohlthat, die ich nicht genug zu rühmen weiß,
schenckt mir der liebe Gott, in leibl. und geistl.

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