Hochwürdiger p
In dem Herrn sehr Wehrter HErr Professor
Ew. HochEhrwürden letzte Brieffe vom 23. Jul. u. 2 Sept. des vorigen Jahres habe heute
abermahl mit vielen Vergnügen u. Erbauung durchgelesen, u. da der liebreiche Gott
Ihr Hertz so väterlich zu uns geneiget, daß sie für uns mehr als ein Vater für s.
Kinder thun kan, in dieser Wüsten ob wohl abwesend, sorgen, so habe mich aufs neue
erweckt befunden, an Sie zu schreiben, u. hiemit in unserm und der Gemeine Nahmen
nicht nur verbundensten Danck abzustatten, sondern auch etwas zu berichten, das Ihnen zwar
eben wie uns viel Kummer machen wird, welches wir Ihnen aber nach dem kindlichen
Vertrauen, das der Herr in uns gegen Sie erweckt hat, nicht so lange bergen können,
biß wir wieder gelegenheit haben zu schreiben. Herr Thilo hat gegen Ew. HochEhrw.
u. andre Knechte Gotte sin Halle u. London nicht aufrichtig gehandelt, daß er s.
schädliche principia des Enthusiasmi u. Seperatismi heimlich gehalten, u. hieher nach
EbenEzer gebracht, dadurch Uno Zerrüttung u. Unordnung anzurichten. Diesen uner-
warteten Bericht werden unser Wehrtester Herr Professor durch folgende Begebenheit
mehr als zu viel, ohn Zweiffel zu ihrer großen Bekümmerniß bestätiget finden. Am neu-
lichen Sontage, Invocavit als am 19 Febr. war ich Amts wegen in Savannah, u.
da ich den Montag gantz früh zurück fuhr, begegneten mir 3 Saltzburger in uns. Boate,
die am Sontage Abends vom Herrn Thilo wieder Willen u. Erlaubniß des Herrn Gronau
nach Savannh zu mir zu fahren waren gedrungen u. getrieben worden, mir zu sagen,
daß ich den Brieff, den Kalcher an den Herrn Past. Riesch in Lindau hat schreiben laßen,
aus dem Packet heraus nehmen solte, er müste durchaus nicht fort. Ich wunderte mich
über dies Zumuthen, zumahl da ich nicht wuste, daß nichts anders als Dancksagung für die
empfangene Wohlthaten u. kurtze Nachricht von seiner (Kalchers) Bestellung zum
Oeconomo im Waysenhause im Briefe zufinden war, daher mich nicht entschließen
konte, diese 4 Englische Meilen wieder Zurück zufahren, oder das Packet durch diese Leute
dem Sanftleben abfordern zu laßen, sondern ich fuhr in Gottes Nahmen nach Hause zu,
schickte aber das Boat völlig nach Savannah, Provision zu hohlen. Ich eilte nach Hause
u. kam selbigen Montag als den 20ten Febr. in EbenEzer an, da mir denn die jämmerl. De-
marches des Herrn Thilo erzehlet wurden, da ich auch bald selbst noch mehr erfahren muste.
Nemlich er hatte schon vor meiner Abreise, welches mir vorher nicht kund worden war, im
Waysenhause erfahren, daß die Kalcherin an Ew. HochEhrw. ein Briefchen, so auch mit-
kommt, geschrieben hätte, ob er nun gleich nicht wuste, es auch selbst bekandte, daß ers nicht
wiße, was im Briefe stehe, so drang er //doch// so lange darauf, biß der brief von dem Herrn Gronau,
der ihn nebst andern einpacken solte, abgehohlet wurde, ja er hohlete ihn selber ab, so bald
nur die Kalcherin drein gewilliget. Nachdem er nun bald darauf nemlich am gedachten
Sontage auch erfähret, daß Kalcher einen Brief an den Herrn Riesch schreiben laßen, so wurd
er wie außer sich, dringet Kalcher mit seltsamen Posituren unter vieler Bedrohung
des göttl. Zorns, der über ihn im Fall des Ungehorsams gegen diese göttl. Order kommen
würde, daß er Leute schaffen, u. sie zu mir nach Savannah schicken müste, ehe Sanftleben
fortreise, denn es sey Gottes Wille nicht, daß der Brieff fortkomme p Dieses seltsame Treiben