Eben Ezer in Georgien den 30 Nov. 1749
Hochwürdiger und Hochgelahrter
In Christo Werthgeschätzter Herr Doctor,
 
Aus den letzten Briefen des Werthen Herrn HoffPredigers Albini habe
ersehen, daß mein vor dem Jahr abgeschicktes Pacquet auf der See
verloren gegangen, darin sich auch ein Brief an Ew. Hochwürden be-
funden, den ich den 21 passato wieder abgeschrieben, und einige Zeilen
unter eben demselben Dato beygefüget habe. Mich verlanget recht
hertzlich zu erfahren, wie es mit der gefährlichen Kranckheit der theuren
Frau D. Götzin abgelauffen, u. wie es seit dem um Ew. Hochwür-
den Gesundheit gestanden it. ob die von mir sehr hochgeschätzte Theo-
logische Facultaet nach Abgang des seeligen Herrn D. Clausewitz wie-
derum ein frommes u. gelehrtes Membrum aus der Hand Gottes em-
pfangen; u. ob sich nach dero Wunsch tüchtige Subjecta zu Mis-
sionariis nach Ost-Indien gefunden. Der Herr stärcke Ew. Hochwürden
unter den vielen Leiden, welche Sie in der Sache unsers Hey-
landes erdulden müßen; und laße Sie dem Anfange nach hier,
vollkommen aber dort in dem beßern Leben die Früchte Ihres Amts,
Ihrer Wercke und Ihrer Leiden genießen. Seitdem ich des theuren
Herrn D. Antonii Collegium Anthitheticum gelesen, ist mir das Werck
Gottes in Halle aufs neue recht groß u. herrlich worden: u. achte
ichs vor die größte Wohlthat, die mir Gott in meinem Leben erzeigt
hat, daß ich nach Halle gekommen, u. die drey Theandri u. er-
sten Zeugen Gottes kennen gelernt, deren geseegnete Schrifften ietzt
meine Labung sind. Es hat sich wunderlich fügen müßen, daß
ich zu dieser unschätzbaren Wohlthat gekommen bin. Wenn ich Gottes Füh-
rungen auch in den äusern Umständen erwege, so muß ich sagen,
das hat Gott gethan, u. ich mercke, daß es sein Werck ist. O wie
beugen mich die jämmerlichen geistlichen Umstände meines Vaterlandes
und gantz Saxen-Landes in Ansehung der Religion! Es ist wol
zu sorgen, es werde die geistliche Finsterniß noch größer werden,
da man das Licht muthwillig von sich gestoßen, ja es selbst vor
Finsterniß u. Irrthum geachtet hat, auch wol noch achtet. Wenn
sich doch der Herr der Meinigen erbarmen könte, an welche ich
unter weilen schreibe u. hier für sie bete, daß sie auch erfahren
was Act. 26, 18 steht. Nun Gott versäumet doch keine Seele,
u. hat tausenderley Wege sie aus dem Verderben heraus zu rücken.
Er wird doch mein Seuffzen auch für sie erhören. An den Herrn Grünen
zu Guben dencke ich gar offt, u. möchte gern wißen, ob sichs mit
 
Herr D. Francke.