Nr. 75 Ph.J. Spener an AM. Francke 4.2.1693 277 75. Ph.J. Spener an A.H. Francke Berlin, 04. Februar 1693 Inhalt Hält Offenbarungen Heinrich Kratzensteins nicht für göttlich. — Hat Johann Hieronymus Wieg¬ leb zur Antwort auf den entsprechenden Abschnitt bei Johann Konrad Dannhauer hingewiesen. —Johann Friedrich Mayer hat die Ubersetzung von Pierre Poirets Buch Les principes solides de la Religion von Johann Heinrich Horb wiederlegt. Überlieferung A: AFSt/H A 125: 30 D: Kramer, Beiträge, 287-288; Tholuck 2, 19-20 Göttliche gnade, friede, liecht, heil und segen in Christo Jesu! In demselben hertzlichgeliebter Bruder, wehrter Herr. Ich habe das neuliche wol empfangen, und die glückliche widerkunfft auß Quedlinburg mit freuden verstanden. 1 Hätte wünschen mögen, wo es Gottes wille gewesen, auch erfreulicheres zuhören von dem jenigen, was daselbs 5 vorgehet 2 : aber es scheinet, Gott wolle an allen orten viele anstoße entstehen laßen. Möchte wünschen, wie Herr Scriverius sich dieses mal bezeuget. 3 Kratzenstein anlangend habe ich mein bedencken bereits vor einigen wochen hingesandt 4 : das hauptwerck gründet sich auff seine in das Consistorium eingegebene eigne schrifften 5 . Nun was er darinen vorgibet, das ihm Gott 10 absonderlich offenbahret, so vorhin noch nicht bekannt gewesen, solches ist falsch, und Gottes wort entgegen, wie er dann außtrücklich Paulum be¬ schuldigt, das er in einigen dingen auß Christi sinn geschrieben u. denselben getroffen, in andern aber auß seiner vernunfft geschrieben u. gefehlet habe. Dieses hoffe ich, werde geliebter Bruder leicht erkennen, das unmüglich 15 göttliche offenbahrung sein könne 6 : also kan man ihn vor keinen wahren ' Brief Franckes vom 26.1.1693 (Brief Nr. 73) mit dem Bericht von seiner Reise nach Quedlinburg zwischen dem 17. und 26.1. 2 Spener hat hier wohl vor allem die im folgenden thematisierten Vorgänge um Heinrich Kratzenstein (s. Brief Nr. 59, Anm. 25) im Blick. 3 Christian Scriver, Oberhofprediger und Kirchenrat in Quedlinburg (s. Brief Nr. 14, Anm. 3), stand dem Pietismus aufgeschlossen gegenüber. Nach der Darstellung des späteren Superinten¬ denten, Gerhard Meyer (Unverwerffliche Zeugnisse [...], Bremen 1702, 64), wurde seine Sicht im Laufe der Zeit aber kritischer, was vor allem damit zu tun haben dürfte, daß Scriver zu den Geistlichen gehörte, die von Heinrich Kratzenstein ausdrücklich angegriffen wurden (Schulz, 70. 96). A Ph.J. Spener, Theologisches Bedencken Heinrich Kratzensteins [...] betreffend (s. Brief Nr. 71, Anm. 8). Das Bedenken datiert vom 12.1.1693. Nicht nachweisbar. 6 Zu Franckes Sicht der Offenbarungen Kratzensteins s. Brief Nr. 73, Z. 24-34. |