Nr. 115 Ph.J. Spener an A.H. Fmucke 29.2.1696 429
115. Ph.J. Spener an A.H. Francke
Berlin, 29. Februar 1696
Inhalt
Sendet Manuskript zur Chiliasmusdebatte und warnt vor Bekanntwerden von Franckes Auf¬
fassung. Berichtet nochmals von besorgtem Schreiben aus Dresden. — Zitiert Bedenken eines
Theologen wegen der Observationes. — Dankt für Material zur Widerlegung von Samuel Schel-
wigs Itinerarium antipietisticum. — Angekündigte Spende zur Waisenversorgung soll demnächst
eintreffen. — Hofft, daß von Breithaupt empfohlener Famulus vor Ostern kommen kann. — Hat
Besuch von [Johanna Margarethe] Lingk.
Überlieferung
A: AFSt/H A 125: 55
D: Krämer, Beiträge, 343-345
Göttliche gnade, Hecht, rath, heil und leben in unsrem gecreutzigten Jesu!
In demselben hertzlich geliebter Bruder, Hochgeehrter Herr Gevatter.
Ich habe eine gute zeit lang nicht geschrieben, weil ich nicht ohne mit zu
antworten auff das übersandte, zu schreiben resolviret hatte. 1 Hingegen
ist demselben nicht verborgen, wie so gar ich meiner zeit nicht mächtig 5
bin. Nun aber sende, was heut und dieser tagen unter sovielen andern ge-
dancken geantwortet habe. 2 Ich hoffe, derselbe werde erkennen, ob auch
seine scrupul nicht gantz gehoben wären, daß auffs wenigste gezeiget seye,
das sich einmal nicht thun laße, von einer auffs wenigste so ungewißen u.
zweiffelhafftigen Sachen mit andern zureden, als die sich wo nicht völlig io
helffen können, doch auffs wenigste weder einnehmen laßen, noch auch
die meinung zum nachtheil der übrigen guten sache zur gelegenheit vieler
lästerung offenbahr machen. Ich habe von vornehmer u. gottseliger hand
4 /zu schreiben/. 12 /meinung/ : (sache).
1 In einem nicht überlieferten Brief muß Francke Spener ein mehrere Punkte umfassendes
Votum zum Chiliasmus (vgl. Briefe Nr. 110, Z. 107-139 und Anm. 43 und Nr. 114, Z. 40-48)
gesendet haben. Dies ist anzunehmen, weil Spener in seiner Entgegnung (s. Anm. 2) auf eine in
mindestens 15 Abschnitte gegliederte Abhandlung reagiert.
2 Wohl die handschriftlich ohne Angabe von Verfasser und Datum überlieferten „Anmerckun-
gen über den Zustand der seelen nach dem todt", in denen die Annahme eines dritten Ortes im
Jenseits biblisch widerlegt wird (AFSt/H A 125: 133, Speners Handschrift). Die 8 Seiten um¬
fassende Abhandlung ist nicht vollständig; in einem „P.S." heißt es: „Den letzten halben bogen
kann derweil nicht finden. Folget noch." Im Postscriptum wird zudem betont, daß eigentlich
Johann Caspar Schade (s. Brief Nr. 19, Anm. 12) den Text, in dem dieser „sonderlich einerlcy
meinung [mit dem Verfasser] wegen §. 9. 14. 15." sei, hätte schreiben wollen. Schade sei aber
verhindert gewesen.