446 Nr. 118 AM. Francke an Ph.J. Spener 24.3.1696
118. A.H. Francke an Ph.J. Spener
Glaucha, 24. März 1696
Inhalt
Berichtet kurz von Johann Caspar Schades Besuch. — Sendet juristische Auskunft von Christian
Thomasius. — Erwähnt Geburt Gotthilf Augusts. — Verwendet bei entsprechender Anweisung
nur die Zinsen der Spenden.
Uberlieferung
A: AFSt/H D 88: 112
D: Weiske 1, 127
Theurester Vater in dem [Hejrrn, Hochverehrtester Herr Gevatter,
Es ist der liebe Herr Schade 1 Gottlob! zu vieler unser Stärckung und Er¬
quickung bey uns gewesen 2 , und wie wir hoffen und wünschen auch zu
seiner eigenen. Zum wenigsten hat er hier gefunden, die mit ihm an einer
Krankheit liegen. 3 An der Seiten (des Beichtstuhles) muß es endlich brechen,
1 [He]rrn: cj (Papierausriß).
' Johann Caspar Schade (s. Brief Nr. 19, Anm. 12).
2 Schade war vor dem 14.3.1696 nach Halle gekommen und reiste nach den Angaben Paul
Antons erst am 25.3. wieder ab (vgl. Spener an Anton, 14.3.1696, AFSt/H C 146: 24 und Anton
an Spener, 27.3.1696, AFSt/H D 66: 31 lf).
3 Seit mehreren Jahren war Schade von den Gewissensproblemen bei der Erteilung der Ab¬
solution in der Privatbeichte, die Francke im Grunde teilte (vgl. v.a. Briefe Nr. 55, Anm. 45,
Nr. 108, Z. 25-36 und Nr. 123, Z. 21-25) und von denen auch Paul Anton (s. Brief Nr. 110,
Anm. 64) berichtet (vgl. Anton an Spener, 27.3.1696 [s. Anm. 2]), offensichtlich in besonderer
Weise betroffen. Im Dezember 1695 war an der Nikolaikirche deshalb die Regelung getroffen
worden, daß Schades Amtsbrüder flir ihn die Beicht- und auch die Abendmahlsverwaltung über¬
nahmen. Bereits zu Beginn des Jahres 1695 hatte Schade seine Gewissensnot mit der Hoffnung auf
Vermittlung Spener geklagt und sie auch der Gemeinde mitgeteilt. In offensichtlich vermittelnder
Absicht hielt Spener am 7.8.1695 in der Nikolaikirche eine Predigt unter dem Titel Des Beicht¬
wesens in der Evangelischen Kirchen rechter Gebrauch und Mißbrauch/ [...], Cölln/Spree [1695]
(Grünberg Nr. 76), die er am 2.3.1697 wiederholte (Wiederholung der Lehr von des in unserer
evangelischen Kirchen gewöhnlichen Beichtwesens Gebrauch und Mißbrauch/ [...], Cölln/
Spree [1697] [Grünberg Nr. 77]). Am 3. Advent 1695 verfaßte Schade ein „Sendschreiben" an
seine Amtsbrüder; im Januar 1696 versandte er eine Zusammenstellung seiner Gewissensfragen
zum Beichtstuhl an mehrere Theologen; Reaktionen blieben aber wohl weitgehend aus (vgl.
zum gesamten Abschnitt Obst, 20-30; R. Murakami-mori, Der Berliner Beichtstuhlstreit.
Frömmigkeit und Zeitwende im späten 17. Jahrhundert, in: PuN 17, 1991, 62-94; C. Drese, Der
Berliner Beichtstuhlstreit oder Philipp Jakob Spener zwischen allen Stühlen?, in: PuN 31, 2005,
60—97). — Bei seinem Besuch in Halle sprach Schade bereits davon, daß er eine Erklärung „de
conscientia pro erronea habita" abfassen wolle (vgl. Anton an Spener, 27.3.1696 [s. Anm. 2], 311).
Diese erschien als Flugschrift im Sommer 1696 (Vom Conscientia erronea, oder also genannten
Irrigen Gewissen eines Predigers Wegen Absolution und Außtheilung des H. Abendmahls/