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Nr. 123 A.H. Franckc an Ph.J. Später 12. 9. 1696
123. A.H. Francke an Ph.J. Spener
Glaucha, 12. September 1696
Inhalt
Glauchaer Gemeiudeglieder sollen laut Anordnung des Konsistoriums nicht mehr in der Stadt
beichten. Johann Christian Olearius hat deren Aussagen notiert und an das Konsistorium über¬
geben. Die Vorstädte sollen deshalb visitiert werden. — Berichtet von der Hochzeit von Johann
Heinrich Schröder und Sophia Tranquilla WolfF.
Überlieferung
A: AFSt/H D 88: 117-118
D: Weiske 1, 128
Theurester Vater in dem Herrn, Hochwehrtester Herr Gevatter,
demselben habe nöthig erachtet zu berichten, daß anjetzo endlich die Sache
mit meinen Beichtkindern, welche von mir bißhero abgewiesen, und in der
Stadt angenommen worden 1 , brechen wolle. 2 Denn es ist etwa vor einem
5 viertel Jahr vom Consistorio befohlen worden, daß die Prediger in der Stadt
solche Leute nicht mehr annehmen solten, 3 welches sie aber doch gethan,
einen Weg wie den andren. Darauff hat Herr D. Olearius 4 die Leute vor¬
genommen, als wolle er ihnen zureden, daß sie sich von mir möchten weisen
laßen, deren Geschwätz hat er registriret (von dem was ich bey ihm vor
10 Klagen geführet, nichts) und hat solche registratur ad Consistorium referiret. :>
Da dann resolviret worden, daß mir solches communiciret werden solte, so
sind auch zugleich Commissarii geordnet Herr D. Olearius, Herr Bodinus 6 ,
1 Die Praxis, daß Glauchaer Gemeindeglieder zur Beichte in die Stadt gingen, war zur Ent¬
lastung der Konflikte um die Beichtpraxis zwischen Francke und seinen Gemeindegliedern 1692
offenbar offiziell eingeführt worden und hatte sich spätestens im Frühjahr 1694 durchgesetzt (vgl.
Briefe Nr. 31, Z. 28-36 und Amn. 2 und Nr. 92, Z. 49-53 und Anm. 20).
2 Vgl. Brief Nr. 118, Z. 5f und Anm. 4.
3 Eine Anordnung des Konsistoriums, die die seit 1692 zugestandenen Konzessionen zurück¬
nahm, wurde nicht ermittelt.
4 Johann Christian Olearius (s. Brief Nr. 20, Anm. 3).
3 Nicht überliefert. — Samuel Schelwig (s. Brief Nr. 105, Anm. 9) behauptete, die in der Stadt
beichtenden Glauchaer Gemeindeglieder seien verunsichert gewesen, ob die von den Stadt¬
pfarrern erteilte Absolution auch gültig sei. Zudem habe sich herausgestellt, daß einige zu der Auf¬
fassung gekommen seien, wahre Bekehrung setze die Begegnung mit Francke voraus (S. Schelwig,
Die Sectirische Pietisterey [...] [s. Brief Nr. 125, Anm. 12], Bd. 1, Teil 1, 47f|).
6 Heinrich von Bode (Bodinus) (6.4.1652-15.9.1720), geb. in Rinteln; 1668 Jurastudium in
Helmstedt (1672 Lic. jur. in Rinteln), 1674 Privatvorlesungen in Rinteln, 1677 in Marburg; 1682
ao. Prof. jur. in Rinteln, 1685 o. Prof.; seit 1693 Prof. jur. in Halle, seit 1694 Konsistorialrat,
später vom Kaiser geadelt (DBA 113, 225-276; ADB 2, 794f; Jöcher 1, 1158-1160; Zedier 4,
324f; Dreyhaupt 2, 587f).