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Nr. 176 AM. Francke an Ph.J. Später 24. 9. 1699
176. A.H. Francke an Ph.J. Spener
Halle, 24. September 1699
Inhalt
Dankt für Speners Gastfreundschaft in Berlin. — Hat Reskript wegen Aufhebung der Streitsache
mit dem Stadtministerium erhalten. — Pfarrer Christoph Otto in Stendal hat um Empfehlung
wegen der Inspektion in Osterburg gebeten. — Heinrich Julius Elers möchte einen Predigtjahr¬
gang Speners in Halle drucken. — Nachfolgeregelung in Meseberg verzögert sich. — Empfiehlt
einen Bekannten aus Kassel.
Überlieferung
A: AFSt/H D 88: 175
D: Weiske 2, 35-36
Halle den 24. Sept. 1699.
Immanuel!
In demselben theurester Vater, und hochgeehrtester Herr Gevatter,
Ich sage für alle mir erzeigete so hertzliche u. väterliche Liebe kindlich¬
schuldigen Danck 1 , und bin gewiß, daß Gott auch keinen bißen Brods unver-
golten laßen wird. Sonst preise u. lobe ich billig den Namen des Herrn für alle
seine Barmhertzigkeit, die er abermals an mir unwürdigen gethan hat. Denn
ich muß ja wol sagen, er hat alles wol gemacht 2 . Hier bin ich nun in desto
größere arbeit kommen, je länger ich außen blieben bin. Der Herr aber, der
biß hieher geholffen 3 , der wird auch ferner helffen.
Das Rescr[ipt] wegen abolirung des Streits mit dem ministerio 4 ist mir
gleich jetzo vom Consistorfio] communiciret 5 , mit der ernstlichen Bedeutung
mich darnach zu achten, wie denn auch Sie das Consistorium ihres theils in
1 Gemeint ist die Gastfreundschaft Speners während Franckes Aufenthalts in Berlin (s. Brief
Nr. 175, Anm. 5).
2 Vgl. Ps 37,5.
3 Vgl. lSam 7,12.
4 Die kurfürstliche Anordnung an das Konsistorium vom 8.9.1699, den Streit zwischen
Francke und den Halleschen Stadtgeistlichen (zu dessen Stand s. Brief Nr. 174, Anm. 1) ohne
weitere Untersuchung zu beenden (UA Halle, Rep. 27, Nr. 1081, Bl. 79f; GStA PK HA I, Rep.
52, Nr. 159b, 1531-1699, Bl. 6 [Entwurf]; AFSt/H A 107, Bl. 51-52 r [Abschrift]), kann als vor¬
läufiger Erfolg der Reise Franckes nach Berlin (s. Anm. 1) betrachtet werden: Bereits während
Franckes Berliner Aufenthaltes, am 4.9.1699, hatte der Kurfürst sich dagegen ausgesprochen, „die
sogenannten Pietisten unverschuldet zu einer neuen Sekte [zu] machen [...]" (Dkppermann, 123,
unter Bezug auf GStA PK HA [, Rep. 94/111, J.b.24). Durch eine Eingabe des Stadtministeriums
vom 16.10.1699 gegen die Aufhebung des Streits wurde diese Anordnung jedoch hinfällig (s.
Brief Nr. 184, Z. 12-16 und Anm. 7).
5 Das Anschreiben des Konsistoriums an Francke ist nicht überliefert. Vermutlich datierte
es - wie dasjenige an das Stadtministerium - vom 19.9.1699 (letzteres im UA Rep. 27, Nr. 1081,
Bl. 81).