Nr. 223 A.H. Francke an Ph.J. Später [5.(?)]7. 1700
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223. A.H. Francke an Ph.J. Spener
Halle, [5. (?)] Juli 1700 1
Inhalt
Will nach Gotha reisen. - Bittet um Hilfe bei Durchsetzung der Johann Fischer übergebenen
Vorschlage wegen der Kirchenzucht. - Hofft auf Generalvisitation durch Fischer.
Überlieferung
A: AFSt/H D 88: 225-226
D: Weiske, Beitrage, 42f
Halle den 5. [?] Jul. 1700.
Theurester Vater in dem Herrn,
Gleich jetzo bin in procinetu auff sehnliches anhalten meiner lieben Mut¬
ter 2 nach Gotha zu reisen 3 . Hoffe in der nechsten Wochen wieder hier zu
' Die Datierung auf Montag, 5. Juli 1700, ist nicht sicher. Lesbar wäre auch [Samstag], ,,3." Juli
1700. Für die Datierung auf den 5.7. sprechen inhaltliche Kriterien: Francke hofft, in der nächsten
Woche bereits wieder in Halle zu sein (s. Z. 4f), predigte aber erst am Sonntag, 11.7., in Gotha
und kehrte nach dem 18.7. zurück (s. Anm. 3). Er übergibt Fischer Vorschläge zur Herstellung
einer strengeren Kirchenzucht, die offensichtlich nach Ablauf der Woche vom 27.6. bis 3.7.1700
verfaßt sind (s. Anm. 6). Zudem ist Fischers Abreise mit der regulären Post am Mittwoch, 7.7.1700
(„übermorgen", s. Z. 5), gut denkbar. Daß Francke den Brief vor seinem Aufbruch nach Gotha
verfaßt (s. Z. 3f; die reguläre Post nach Gotha verließ Halle dienstags und freitags vormittags um
11 Uhr, vgl. Dreyhaupt 2, 547), erklärt, weshalb es sich nicht um einen üblichen Abfassungstag
(Dienstag oder Samstag) vor Abfahrt der regulären Post nach Berlin handelt.
2 Briefe entsprechenden Inhalts von Anna Francke (s. Brief Nr. 108, Anm. 28) sind nicht
überliefert. Aufschluß über den Hintergrund der Reise geben aber zwei Schreiben Johann
Hieronymus Wieglebs (s. Brief Nr. 8, Anm. 15) aus Gotha vom 25.4. und 25.5.1700 (AFSt/H
C 243: 69f). Darin berichtet er von einer schweren Erkrankung von Franckes Vetter Ernst Sigis¬
mund Francke (1698 Schüler am Paedagogium Regium, 1699 Jurastudium in Halle, vgl. Matrikel
Halle, 156), wegen der der Generalsuperintendent Heinrich Fergen (s. Brief Nr. 10, Anm. 3)
gerufen worden war und dem Kranken das Abendmahl gereicht hatte (C 243: 69). Es stellte
sich u.a. heraus, daß Johann Anastasius Freylinghausen (s. Brief Nr. 94, Anm. 5) diesem Vetter
Franckes während dessen Aufenthalt in Halle wegen mangelnder Bußfertigkeit die Absolution
verweigert und das Beichtgeheimnis nicht gewahrt hatte (ebd.). In diesem Zusammenhang klagte
Franckes Schwester Elisabeth Margaretha (s. Brief Nr. 221, Anm. 18) dem Superintendenten,
daß auch ihr vorgeworfen werde, „sie habe keinen glauben und sey keine Christin", ohne daß sie
wüßte, „warum und woher man das schließe, daß sie sich prüffen könne" (C 243: 70). Fergen
läßt Francke durch Wiegleb bitten, er möge sowohl seiner Schwester als auch seiner Mutter,
die die Vorwürfe offenbar auch betrafen, die „bündigen Kennzeichen des wahren glaubens und
Christenthums zeigen", damit sie sich prüfen könnten (ebd.). In diesen Zusammenhang gehört
vermutlich auch der Besuch von Franckes Schwester in Halle Anfang juni 1700 (s. Brief Nr. 221,
Z. 27f). - Ebenfalls am 25.5.1700 war Francke aber auch von mehreren Gothaer Freunden
dringend gebeten worden, er möge bald, möglichst zu Pfingsten, nach Gotha kommen, um sie
zu erbauen und zu stärken (AFSt/H C 243: 71).
3 Francke predigte am 11.7. in Gotha und am 18.7.1700 in Wormstedt bei Apolda (vgl. die