Hertzliebstes Kind, Blaubäuren 3 Stunden
von Ulm den 25ten
Xbr: 1717.
Heute den ersten Weyhnachts tag, da ich hieselbst
//in der Stadt-Kirchen// geprediget hatte, u. mit dem Herrn Praelaten u. Frau
Praelatin zu tische bey der mittags-mahlzeit saß,
empfing ich dein sehr werthes Schreiben vom 12ten dieses,
welches mich am meisten, weil ich den inhalt wußte,
doch auch die übrigen, weil sie mir ansahen, wie sehr
ich dadurch erquicket war, erfreute. Der Herr Prael-
at tranck gleich ein Glaß auf deine Gesundheit.
Die Frau Praelatin aber, die heute in meiner Predigt
sehr geweinet, u. eben davon gar hertzlich mit mir
sprach, bat mich dich hertzergebenst von ihr zu grüßen.
Hiebey communicire ich dir eine abschrifft von der Regi-
renden Hertzogin zu Stuttgart ihrem Briefe an mich.
Sie hat mir vor meinem Abschiede von Stuttgart eine
Verehrung von einem Silber-Geräthe gethan, so ich nicht
ausschlagen können, u. wohl aus recht gutem ♡en
kommen; ich werde dirs mitbringen. Bey übersen-
dung des Briefes ward mir von einem Freunde folgen-
des geschrieben: Hier folgt ein Antwort-Schreiben von der
jenigen Person, die nicht allein alle ersinnliche Gnade, sondern ge-
wißlich alle kindliche Liebe vor sie hat und zu dem Ende mir be-
fohlen, wie ich nur immer wolle, ihre Ergebenheit zu bezeugen. Desglei-
chen auch die beyde Fräulein nebst der jungen Comtesse thun, welche ge-
wiß ohne unterlaß an dieselbe gedenken. Bis hieher. Ich weiß,
 
[Text vertikal am linken Seitenrand]
Grüße doch alle im Stifft mit namen; auch die werthe Fräulein vonm Goldstein. Im Ulmischen Stifft, da-
von ist neulich an den 23ten Herrn Grafen geschrieben, habe ich immer an sie gedacht, u. so viel ich nach der Wahrheit thun
können, durch ihr Exempel die Ulmischen aufgewecket. Auch die unsrigen im Hauß u. am tische grüße ich alle
hertzinnigst. Nechstens ein mehrers. referire andern, was Dir wolgefält.[?] es angewant ist. A. H. Francke.