Seite
 
Tübingen den 2 Dec. 1717.
 
Ewr Gnad. Wort, daß ich nur reisen möchte, so lange
ich könnte, welchen Brief ich, da zum 2tenmal in Gießen
gewesen, empfangen, hat mir immer im Sinn gelegen, nebst
dem Wort des Königes, ich sollte reisen, so lange ich wolte, und
hat mich beydes encouragiret, desto getroster zu folgen, wo mich
der Finger Gottes hinwiese. Jietzt reise in der Stunde von Tü-
bingen ab auf Biberach, dahin mich magistratus in einem
beweglichen Schreiben durch e. Expressen invitiret. Was in
Stuttgard widriges vorgangen, ist aufs überflüßigste mit Ehren-
und Liebes-Bezeigungen repariret, so wol in Stuttgard als
hier, und ist das wort mit aller Einfalt und Freudigkeit mit
aufgewecktem Evangelischen Geist vielen 1000 Menschen ver-
kündiget, wodurch die praejudicia augenscheinlich weggefallen
und ist der Eingang in die Gemüther und der Segen un-
glaublich groß, daß die Universität und die Anstalten
zu Halle dadurch unfehlbarlich zunehmen, u. so wol Herren-
Standes als andere mir dahin folgen werden. Der alte
Cantzler Jäger hat bey meinem Abschiede mit großer
vehemenz als ein Kind geweinet, saget, diß sey eine
recht Evangelische Predigt gewesen, wer es anders sage,
sey ein recht gottloser Mann, er wolle es sein Lebtage
nicht vergeßen, wolle nun auf eine solche Predigt gern
sterben; hat nicht gewust, seine Liebe gegen mich gnug
außzudrücken. Mein lang außenbleiben werden sie denn
mit dem unaußsprechlichen, Nutzen entschuldigen.
A. H. F.