haben. Er ist aus s. Gefängniß in Rom échappirt, und hat nun schon
2 mal aus Wien an mich geschrieben. Der Freund, an welchen ich ihn
recommandiret, hat mir nun beyliegende Nachricht von ihm gegeben, wo-
mit auch sein eigener anderer Brief, der dabey war, gang übereinstimmt;
und wird er inzwischen auch schon meine andere antwort auf seinen ersten
Brief empfangen haben, darinn ich ihn noch mehr als im ersteren ge-
warnet, dem Clero Viennensi nicht zu trauen die ihn seinen Feinden
überantworten möchten und bin so kühn gewesen, ihm vorzuschlagen, daß
er sich fürs erste doch zu Ewr. Hochgr. Gn. wenden möchte, und sich da
ein wenig verborgen halten; GOtt werde dann weiter zeigen, wo er in
gnugsamer Sicherheit sein Leben zubringen möchte, da ich ihm denn Dero
ietziges gottergebenes Gemüth beschrieben habe. Ich bitte um Verzeihung,
daß ich diese Freiheit gebrauchet in dem großen Vertrauen so ich zu
denenselben habe. Jetzo aber meyne ich, es möchte noch beßer sein, wenn
Dieselben den Mann in Halle ein Viertel Jahr unterhalten möchten, weil
er doch nur die Nothdurfft verlanget. Indeßen wil ich in Engeland
suchen ihm sedem fixam auszumachen. Ich meine aber, er solte hier
erst einen festen und lauteren Evangelischen Grund in sein Hertz faßen.
Solten aber Ew. Hochgr. Gn. ietz mit anderen ausgaben überladen sein,
so wil ichs lieber vom Waysenhause laßen abgehen und auf diesen Mann
wenden, damit nur seiner Seelen succuriret werde. Ich erwarte Ewr.
Hochgr. Gn. meinung hievon; habe dieses nur im großer Eil schreiben
können, daß es auch nicht nachlesen kan; verharre
Ewr. Hochgr. Gn.
Gebetverbundenster
A. H. Francke.
Die Sache ist gang geheim zu halten.
 

Abgedruckt in: Schmidt, Berthold, Meusel, Otto (Hrsg.): A. H. Franckes Briefe an den Grafen Heinrich XXIV. j.L. Reuß zu Köstritz und seine Gemahlin Eleonore aus den Jahren 1704 bis 1727 als Beitrag zur Geschichte des Pietismus. Leipzig 1905, S. 25-27.