Nr. 56 A.H. Francke an Ph.J. Spcncr 5. 11. 1692
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In der commission 9 mercke ich wol werden die ministeriales 10 , wenn sie
weiter nicht kommen können, ihre respects Sache, daß man ihr amt und
thun vor nichts achte, urgiren 11 . Ob ich nun wol bißhero mir keiner zu
harten rede von ihnen bewust bin, werden wir ihnen doch traun 12 nicht 15
heucheln können, wenn sie uns drum fragen, wofür wir sie halten, welches
ich auch Herrn von Seckendorflf gesaget, der mir geantwortet, daß es nur mit
bescheidenheit geschehen solle, das ich auch wol zu frieden bin. Der Herr
wird uns ja stärcken, daß wir uns nicht im Unglauben und Furcht diese und
jene absieht machen, und die Tcapprjcaav 13 für Gott und Menschen darüber 20
verlieren. Unser lieber Herr D. Breith[aupt| ist ja nun ein jähr her durch so
mannichfaltige sonderliche begebenheiten und fürstellungen de imminenti
fato 14 versichert worden, daß ich selbst den zweiffei daran ga[r] beginne zu
verlieren, und mich daher um besserung und erbauung willen desto fleißiger
jetzo zu ihm halte [n] und alles wohl anmercken werde. Er selbst ist gar freudig 25
dazu. Wir können nicht mehr als bet[en,J der Herr sey uns gnädig. Ich erlasse
hiemit de[r] hand des Herrn und verharre
Meines theuresten Vaters Gehorsamer Sohn
M. Augustus Hermann Franc[ke.]
Den 5. Nov. 1692. 30
P.S. Weil ich heute durch eine große Menge beichtkinder im beichtstuhl
ermüdet bin, und die zeit dazu verfloßen, werde ich genöthiget dieselben zu
bitten, Sie wolten doch dem Herrn von Schweinitz 15 wissen lassen, daß sein
Schreiben in Leipzig beliegen 16 blieben, und ich solches erst diese woche emp¬
fangen 17 , habe aber mit Herrn Grophio 18 geredet, weil sein Christenthum so 35
23 ga[r]: cj. 25 halte[n]: cj. 26 bet[enj: cj. 27 de[r]: cj. 29 Franc[ke.]: cj. 34 diese <
hiese(?).
9 Zum Stand der Entwicklung in der Sache der Untersuchungskommission s. Brief Nr. 49,
Anm. 19.
10 Die im Streit mit Francke und Breithaupt liegenden Halleschen Stadtgeistlichen, soweit sie
zu diesem Zeitpunkt noch in Halle amtierten: Christoph Schräder (s. Brief Nr. 30, Anm. 14),
der Halle am 22.11.1692 verließ (vgl. Brief Nr. 58, Anm. 17), Johann Christian Olearius (s. Brief
Nr. 20, Anm. 3), Wolfgang Melchior Stisser (s. Brief Nr. 81, Anm. 10), Christian Nicolai (s. Brief
Nr. 34, Anm. 3) und Friedrich August Jahn (s. Brief Nr. 34, Anm. 4). Albrecht Christian Rotth
(s. Brief Nr. 36, Anm. 12) war bereits nach Leipzig gegangen (s. Brief Nr. 51, Anm. 8).
11 Lat. betreiben, behaupten.
12 S. Brief Nr. 14, Anm. 17.
13 Griech. Redefreiheit, Freimütigkeit, Zuversicht.
14 Lat. über [seine] bevorstehende Schicksalsvollendung; hier: Todesahnung (vgl. auch Brief
Nr. 57, Z. 65-75).
15 Georg Rudolph von Schweinitz (s. Brief Nr. 30, Anm. 5).
16 Entspricht „liegen bleiben" (DWB 1, 1450).
17 Nicht überliefert.
18 Johann Baptist Croph (s. Brief Nr. 20, Anm. 17).