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Nr. 111 Ph.J. Spcner an AM. Francke 23. 11. 1695
zustand gerathen war, ich daher verlange von seiner jetzigen bewandnus
außflihrlich zu wißen) schreiben, und dardurch an hand gebende hoffnung
auch jemand in Moskau zubringen, welcher was etwa daselbs schläffrig wäre,
auffwecken könte, nicht wenig erfreuet 4 : und achte allerdings, das Herr
10 Schaarschmid' um vieler Ursachen willen darzu am geschicktesten sein werde,
wolte auch fast an seiner folge, da man ihm das gute, was außzurichten, vor¬
stellen wird, nicht zweifflen 6 : nur wirds aber schwehr werden, das er in Engel¬
land den weiten weg, da er bereits auff den Moskowitischen gräntzen ist, zu
Herrn Ludolffen eine reise thun solte: daher es noch zu überlegen wäre, was
15 darinen zu thun. Im übrigen ist die erinnerung Herrn Ludolffs sehr nutzlich,
nicht viel darvon eclattiren 7 zulaßen, damit nicht der teuffei einige unruhe
vorher ehe er dahin käme erweckte, welche ihm den eingang schwehrer
macht. Der Herr mache uns auch darinen seines raths gewiß, und laße aller
orten das reich seines Sohns immer kräfftiger außgebreitet, folglich seinen
20 nahmen soviel herrlicher werden.
Im übrigen dienet zur nachricht, daß unser gnädigster Churfürst und Herr 8
nechsten Dinstag 9 widerum angekommen seye, daher nun die vorhabende
furt; 1690 Präsident des Collegii imperialis historici (DBA 786, 57-73; ADB 19, 394f; NDB 15,
303-304; Jöcher 2, 2574f; RGG 4 5, 540).
3 Nach seiner eigenen Erinnerung hatte Heinrich Wilhelm Ludolf Spener in Frankfurt im
Jahre 1682 getroffen (vgl. Heinrich Wilhelm an seinen Bruder, Georg Melchior Ludolf, Berlin,
28.9.1703, AFSt/H C 144 3 : 23).
4 Gemeint ist der Brief Heinrich Wilhelm Ludolfs an Francke aus London vom 14.10.1695,
in dem Ludolf ausgehend von einer Beschreibung der Situation der lutherischen Gemeinden in
Rußland betont, daß es dringend angezeigt sei, einen deutschen Pfarrer nach Rußland zu senden,
der auch die russische Sprache beherrsche. Er bittet Francke um Mithilfe bei der Suche nach
einem geeigneten Kandidaten und bietet an, diesen einige Monate lang in der russischen Sprache
zu unterrichten wie auch wünschenswerte Tugenden bei ihm zu fordern (AFSt/H A 112: 1—4).
5 Justus Samuel Scharschmidt (9.4.1664-15.2.1724), geb. in Quedlinburg; 1684 Studium in
Helmstedt, 1688 in Leipzig, Bekanntschaft mit Francke und Anton, 1689 Reise zu Spener nach
Dresden; Aufenthalt bei Francke und Breithaupt in Erfurt und 1691 bei Spener in Berlin; 1692
Studium in Halle, dann Informator in Erfurt; 1694 Informator in Königsberg, dann bei Riga;
1696 Informator in Moskau bei Laurentius Blumentrost, 1699 Pfarrer der lutherischen Gemeinde
ebd., 1700 Ordination in Berlin; 1701—1711 von Moskau aus Reisen zu lutherischen Gemeinden
nach Novgorod, Plesko, Kasan, Astrachan, Archangelsk und Terek; 1711 Stabsprediger der
russischen Armee in Smolensk und Kiew, 1713 Pfarrer der Eisenwerke Ugodka und Istia; 1717
Ankunft in Quedlinburg, 1719 Adjunkt an St. Moritz und Hospitalpfarrer in Halle (Matrikel
Leipzig, 382; Matrikel Halle, 381; Auskunft Pfarrerkartei der KPS; Dreyhaupt 2, 704f; Winter,
passim; G. Rosenfeld, August Hermann Franckes erster Sendbote in Rußland — Justus Samuel
Scharschmid, in: Europa in der frühen Neuzeit. FS für Günter Mühlpfordt, hg. E. Donnert, Bd.
3: Aufbruch zur Moderne, Weimar 1997, 1-25.).
6 Scharschmidt begab sich nach der am Ende des Jahres 1695 erfolgten Aufforderung durch
Francke tatsächlich nach Moskau. Da sich der Antritt der Reise aber verzögerte (s. Brief Nr. 116,
Z. 151—155), war die Stelle des Pfarrers der lutherischen Gemeinde in Moskau inzwischen bereits
besetzt, weshalb Scharschmidt diese erst 1699, nach dem Tod seines Vorgängers Franz Lorenz
Schräder (s. Brief Nr. 165, Anm. 14), antrat (Dreyhaupt 2, 704).
7 S. Brief Nr. 59, Anm. 24.
8 Friedrich III. (I.) von Brandenburg (s. Brief Nr. 18, Anm. 11).
9 19.11.1695.