Nr. 150 Ph.J. Spener an AM. Frcmcke 1.10.1698
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Mit unsrem guten Herrn Raunern hats hier nicht von statten gehen wol¬
len 7 , und war die gemeinde mit der predigt, welche weil er nicht concipiret,
nicht in gnugsamer Ordnung vorgestellet wurde, weniger als mit dem andern 8
zufrieden, darzu auch allerley geschwätz kam, welches mir bald meine hoff-
nung schwächete, endlich gar benahm. Ob nun wol auff ihm u. Herrn 15
Schmiden 9 , welchen man Wehlen wolte, bestünde, so kamen die genannte
verordnete der burgerschafft sowol zu mir als den Herren burgermeistern,
und wolten durchauß von diesen beiden nicht hören: daher nicht müglich
gewesen wäre, als mit oberer gewalt ihn zu obtrudiren, so gleichwol auch
nicht rathsam. DaraufF die burgerschafft von selbs auff Herrn Fritschen ar- 20
chidiacfonum] zu Sorau 10 fiel, weil sie soviel gutes von ihm gehöret hatten, so
ich meo calculo bekrafftigen mußte, und verlangte, ob man denselben ohne
probpredigt beruffen wolte. Dieses wurde also gestern, als wir zu rathhauß
beysammen waren, als das beste mittel zusammenzutreten erkant und also be-
schloßen, auch heut von dem hoff, dem es angenehm ist, das alle ordines ein- 25
stimmen, confirmiret. Wird also Herr Fritsch beruffen werden 11 , Gott regire
sein hertz, das er folge. Ich wundre mich göttlicher providentz. Er war der
erste, den ich zwahr vorgeschlagen habe, aber also das es keine müglichkeit
wäre, weil man ihm sich auffstellen zu laßen nicht zumuthen könte. Hingegen
ohne dieses wäre es auch erstlich nicht müglich worden: so fügets Gott, das in 30
die wähl solche kommen, die zwahr würdig, aber die burgerschafft gegen sie
ammirt, das sie endlich selbs auff denjenigen, auch diejenige art, kommen
müßen, dawider sie sich, wo vor einem monat solche vorgeschlagen worden,
widersetzt haben würde. Der Herr führe sein werck weiter. Der wird auch
vor Herrn Raunern sorgen, und ihm hoffentlich auch das hiegewesen sein 35
nicht nachtheilig sondern nutzlich werden. Was ohne concept zu predigen
anlangt, gehet es bey gelfiebtem] Bruder wol an, oder auch andern, die eines
28 /zwahr/ : (also).
7 Wolfgang Balthasar Rauner (s. Brief Nr. 133, Anm. 15) war als 3. Diakon an St. Nikolai
nicht gewählt worden (vgl. Brief Nr. 147, Anm. 18).
B [Andreas (?)] Schmidt (s. Z. 15f und Anm. 9).
Vielleicht Andreas Schmidt (2.10.1672-4.7.1745), geb. in Berlin; 1691 Studium in Leipzig;
1694 Pfarrer in Blumberg bei Berlin, 1696 Diakon in Wittstock, 1700 Oberpfarrer an St. Gott¬
hard und Superintendent in Brandenburg, 1705 3. Diakon an St. Nikolai in Berlin, 1712 2.
Diakon; 1726 Superintendent in Perleberg (DBA 1114, 147f; Matrikel Leipzig, 396; Pfarrerbuch
Brandenburg 2/2, 759).
10 Johann Fritzsch (s. Brief Nr. 149, Anm. 8).
" Fritzsch wurde am 4.10. berufen und nahm die Berufung am 23.10.1698 an (Aland,
85). Am 20.11.1698 trat er sein Amt als 3. Diakon an St. Nikolai in Berlin an (vgl. [J. Fritzsch],
Der kurtze Inhalt des Amtes eines Evangelischen Predigers/ aus Matth. XVIII, 23-25/ [...] am
XXII. Sontag nach Trin. 1698. [...] vorgetragen, in; Ph.J. Spener, Christlicher Leich=Predigten
Zehende Abtheilung, Frankfurt a.M. 1700, Doppelter Anhang zwoer Anzugs-Predigten, Frank¬
furt a.M. 1700, 1-18).