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Nr. 165 PhJ. Später an AM. Francke 13.6.1699
gegenpartey versucht alles ihn auff ihre seite zu ziehen, ich hoffe aber, er
20 werde sich nicht einnehmen laßen. Gott regire ihn mit seiner gnade und geist
kräfftiglich. Von Herrn M. Meurern 7 hoffe, das er nach Alt Brandenburg an
des S. Herrn Praetorii 8 stelle werde gebracht werden. 9 Was den Vorschlag
meines adjuncti anlangt, vermuthe, es werde auff Herrn Blanckenberg 10
fallen, welchen wehrter Herr Gevatter auch vor den jenigen gehalten, der
25 dem hoff am besten anstehen werde. Ich will ja hoffen, er werde, wo es hie
völlig geschloßen, sich nicht difficultiren. Ob nun wol vor äugen sehe, was
vor ein stürm deswegen hier über mich von allerhand leuten, sonderlich die
mit meinem todt der ihnen verdächtigen fremden loßzukommen gehoffet,
erreget werde werden, so ists doch in dem nahmen Gottes darauff gewagt, der
30 wird, was von ihm und zu seinen ehren gemeinet ist, in gnaden secundiren.
Weil in neulichem brieff auß Moscau Herr Scharschmid 11 über seine
widerWertigkeiten, die er von unsrem prediger leiden muß, geklaget, 12 so
bitte mit den übrigen Herren Theologis 13 (die hertzlich grüße) zu überlegen,
weil einer auff der cantzel geklagt, das Berlin auch schon vergifftet seye 14 , ob
35 es rathsam zu suchen, das unser Churffürst] 15 sich bey dem Czaar 16 deßen
25 werde ] + (sich). 32 unsrem prediger ] unsren predigern: D.
7 Johann Christoph Meurer (s. Brief Nr. 21, Anm. 18).
8 Andreas Prätorius (1627—10.5.1699), geb. in Brandenburg oder Wolmirstedt; 1646 Studium
in Wittenberg (1648 Magister), um 1650 Pfarrer in Berge bei Gardelegen, 1653 Superintendent in
Seehausen in der Altmark; 1675 Superintendent und Oberpfarrer an St. Gotthardt in Brandenburg
(Pfarrerbuch Brandenburg 2/2, 652; Auskunft Pfarrerkartei der KPS).
9 Meurer, der zu diesem Zeitpunkt Diakon in Wolmirstedt war, wurde 1700 Adjunkt des
Generalsuperintendenten in Stendal.
111 Konrad Gottfried Blankenberg (s. Brief Nr. 22, Anm. 31).
" Justus Samuel Scharschmidt (s. Brief Nr. 111, Anm. 5).
12 Gemeint ist, da Spener im folgenden um eine Kopie des Schreibens bittet (s. Z. 37—39),
wohl Scharschmidts Brief an Francke vom 3.5.1699 (AFSt/H C 296: 26). Francke muß Spener
den Brief entweder zur Kenntnisnahme eine Zeit lang überlassen oder ihm davon berichtet haben.
An einer Predigt Scharschmidts zum 3. Osterfeiertag hatten sich Auseinandersetzungen mit dem
Moskauer lutherischen Pfarrer Barthold Vaget (s. Brief Nr. 151, Anm. 18) entzündet: Dieser be¬
hauptete in einer Predigt zum Sonntag Quasimodogeniti, Scharschmidt habe ihn schlecht gemacht
und sei „der Pietisten handlanger" wie auch Böhmist und Weigelianer, weil er u.a. Franckes Kurze
und einfältige Anleitung zum Christentum (s. Brief Nr. 166, Anm. 6) verteile. In den Gemeinden
sei darüber große Zerrüttung entstanden. Er, Scharschmidt, habe nun angefangen, eine Verant¬
wortung seiner Unschuld abzufassen (AFSt/H, aaO).
13 Paul Anton (s. Brief Nr. 110, Anm. 64) und Joachim Justus Breithaupt (s. Brief Nr. 7,
Anm. 36).
14 Diese Äußerung stammte von Franz Lorenz Schräder (1661—1699), seit 1695 lutherischer
Pfarrer der Neuen Gemeinde in Moskau (Pfarrerbuch Rußland, 465), der sich seit Quasimodo¬
geniti ebenfalls gegen Scharschmidt gewandt hatte (vgl. Scharschmidt an Francke, 3.5.1699 [s.
Anm. 12]).
15 Friedrich III. (I.) von Brandenburg (s. Brief Nr. 18, Anm. 11).
16 Zar Peter I., Alexejewitsch, der Große (9.6.1672-8.2.1725), geb. in Moskau; 1689 Herr¬
schaftsantritt, 1697/98 anonym Reise nach Holland und England und Abschluß einer Zimmer-