Nr. 11 A.H. Frandu an Ph.J. Später 8. \. 1691
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11. A.H. Francke an Ph.J. Spener
Erfurt, S.Januar 1691
Inhalt
Hat von Speners Plänen, nach Berlin zu gehen, erfahren. — Legt das Dekret der Erfurter Kommis¬
sion bei, das ihm Informationen in Privathäusern verbietet.
Überlieferung
A: A FS t/H D 66: 103-104
D: Kramer, Beiträge, 202
Neuen Sieg durch neues Leiden!
Theurester Vater in Christo.
Ich bin nun auffs gewisseste versichert worden, daß unser himmlischer Vater
Ihn dem Sachsen Lande entziehen wolle. 1 Gelobet sey in allem die ewige
weißheit, welche denen die im Finstern sassen ein Liecht hat lassen auff- 5
gehen 2 , und es nun ihnen wieder entziehet, weil Sie es von sich stossen: Ich
bin aber gewiß in dem Herrn Jesu, er sende Ihn abermahls nicht vergebens,
sondern werde Ihm einen dapfferen kampff und drauff erfolgenden herr¬
lichen Sieg in seinem alter fürbehalten haben. Amen! Das ist: es werde war. 3
Von unserm Zustande habe jüngst bericht gethan 4 , daß der himmel schon 10
über und über schwartz sey . Es hat auch noch desselbigen tages einen Schlag
gethan, wie beygehendes decret 6 , so mir selbigen Tages zugesandt worden,
ausweiset. Man hat auch beschlossen gehabt dem Herrn Senior 7 sein kinder
examen mündlich zu untersagen, welches aber so unvernehmlich durch den
' Zu Pfingsten 1690 war erstmals die Anfrage an Spener ergangen, ob er die freigewordene
Stelle als Propst an St. Nikolai in Berlin annehmen wolle. Die Verhandlungen über die Modali¬
täten des Wechsels zogen sich aber hin, so daß an Spener erst am 28.3.1691 die Berufung zum
Konsistorialrat, Propst und Inspektor nach Berlin, St. Nicolai, erging; am 3.6.1691 verließ er
Dresden (Grünberg 1, 251-254).
2 jes 9,1.
3 Anfang der 9. Strophe des Liedes „Vater unser im Himmelreich" von Martin Luther, 1539
(EG Nr. 344).
4 Wohl ein nicht überlieferter Brief Franckes vom 30.12.1690 (vgl. Z. 11—13 und Anm. 6).
5 Vgl. lKön 18,45 (das Gottesurteil auf dem Karmel).
6 Das am 30.12.1690/ 9.1.1691 erlassene Dekret ist die erste Maßnahme der unter demselben
Datum nach Leipziger Vorbild eingesetzten Kommission der Gegner Franckes und Breithaupts,
in dem Francke die Durchfuhrung von Privatinformationen verboten wurde (AFSt/H D 66: 102
[Abschrift]). Anlaß für die Einsetzung der Kommission war eine Auseinandersetzung Breithaupts
mit dem Gymnasialdirektor Zacharias Höge] d.J. (1637-1714) über die Frage, ob ein Wie¬
dergeborener die Gebote Gottes halten könne oder nicht. Faktisch schaffte sich hier der gegen
Francke gestimmte Teil der Erfurter Geistlichkeit eine Institution, um gegen Francke vorgehen
zu können (vgl. Kramer, Beiträge, 109-119).
7 Joachim Justus Breithaupt (s. Brief Nr. 7, Anm. 36).