Nr. 88 AM. Francke an Ph.J. Spener 4. 2. 1694 329
88. A.H. Francke an Ph.J. Spener
Glaucha, 04. Februar 1694
Inhalt
Bittet im Namen der Pröpstin, Magdalena Sophia von Holstein, und Adrian Adam von Stammers
aus Quedlinburg, Spener möge sich dafür einsetzen, daß Justus Lüders nicht nach Halberstadt
versetzt wird. Nennt Gründe hierfür.
Überlieferung
A: AFSt/H D 125: 142
D: Krämer, Beiträge, 306-307
Theurester Vater in Christo unserm Heylande,
Ich bin zu diesem Schreiben fast genöthiget worden, ob ich wol nicht weiß,
was es ausrichten kan, in dem die lieben Quedlinburger, sonderlich die Frau
Pröbstin, Hertzogin von Holstein 1 , und der Herr Stifftshauptmann 2 und
andere mich gar inständig gebeten haben, an denselben zu schreiben, wegen 5
des Herrn Lüdersen ihres Oberhoffpredigers 3 , daß so es müglich wäre, etwas
beyzutragen, daß Sie seiner so bald nicht wieder beraubet würden, sondern
die Halberstädter sonst mit einem rechtschaffenen Mann versehen, ihnen aber
dieser theure Mann gelaßen würde. 4
1. Sehen sie wol, daß das eigentliche fundament, warum man Ihn nach Hai- 10
berstadt haben wil, darauff beruhet, daß man die besoldung so auffs fuglichste
einrichten kan, in dem man schon Götzen 3 an seine Stelle recommendiret
nach Quedlinburg 6 , daß er also in locum Rixneri 7 quoad Inspectionem et
Pastoratum commode succediren könte; welches ein politisches fundament
1 Magdalena Sophia von Schleswig-Holstein-Oldenburg (s. Brief Nr. 73, Anm. 10).
2 Adrian Adam von Stammer (s. Brief Nr. 14, Anm. 6).
3 Justus Lüders (s. Brief Nr. 7, Anm. 18).
4 Die Bitten müssen an Francke bei seinem Aufenthalt in Quedlinburg um den 14.1.1694 (s.
Anm. 11) herangetragen worden sein. — Die Bemühungen der Quedlinburger waren allerdings
vergeblich. Lüders folgte, obwohl er erst am 26.11.1693 als Oberhofprediger in Quedlinburg
eingeführt worden war, am 29.6.1694 der Berufung zum Generalsuperintendenten und Kon-
sistorialrat nach Halberstadt (Schulz, 28f).
5 Wohl Johann Melchior Götze (26.11.1658-1.4.1727), geb. in Tautenburg bei Dornburg;
1676 Studium in Jena, 1681 Adjunkt und 1682 Pfarrer in Wegeleben, 1684 zweiter Domprediger
in Halberstadt; seit 1693 Oberprediger an St. Martini ebd., ab 1713 zudem Konsistorialrat
(Pfarrerbuch KPS 3, 340f).
6 Tatsächlich wurde als Nachfolger von Lüders erst am 7.7.1695 gegen den Widerstand der Ka-
pitularinnen Friedrich Weise, zuvor Domprediger in Naumburg, eingeführt (vgl. Schulz, 32).
7 Der im Dezember 1692 verstorbene Heinrich Rixner war zuletzt Kirchenrat und Ge¬
neralsuperintendent in Halberstadt gewesen (s. Brief Nr. 69, Anm. 13).