Nr. 161 A.H. Franckc an Ph.J. Spater 25. 4. 1699
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161. A.H. Francke an Ph.J. Spener
Halle, 25. April 1699
Inhalt
Wird am 27.4. seine Antwort auf die Klage der Stadtgeistlichkeit im Konsistorium einreichen.
Über Jakob Heinrich Katsch soll die Akte an Spener und Paul von Fuchs gelangen.
Überlieferung
A: AFSt/H A 165: 5a
D: Kramer, Beiträge, 400
Immanuel!
Th[eurester| Vfater] in dem Herrn,
Ich preise den Herrn, der mich einmahl wieder in mein Element gefiihret
hat, nemlich in das Zeugniß der Warheit, welches ich im gantz freudigen
und unerschrockenen Vertrauen auff Gott vom hiesigen Ministerio nechst
künfftigen donnerstag in hiesiges Consistorium eingebe. 1 Herr Katsch 2 wird
die gantzen acta 3 überreichen, die denn ohnschwer bald durchzulauffen
1 Franckes „Bekenntniß von dem Ministerio zu Halle in Sachsen", das vom 27.4.1699 datiert
und in mehreren Abschriften überliefert ist (AFSt/H A 107: 8-26; D 79: 19-55; D 90: 490-539;
D 95: 19-54; UA Halle, Rep. 27, Nr. 1081, Bl. 13-32; Archiv der Marktgemeinde A 3, Tit. A 12,
b; abgedruckt bei G. Kramer, Neue Beitrage zur Geschichte August Hermann Francke's, Halle
1875, 88—115; im folgenden werden die handschriftlichen Belege zu den Auseinandersetzungen
jeweils nur für eine Akte angegeben). Francke reagierte hiermit verzögert auf ein Memorial der
Stadtgeistlichkeit vom 15.3.1699, das ihm am 16.3. vom Konsistorium zugestellt worden war
mit der Auflage, innerhalb von 8 Tagen auf die darin enthaltenen Vorwürfe zu reagieren (UA,
aaO, Bl. 1-3 [vgl. Kramer, Neue Beiträge, 79fJ; vorläufige Antwort Franckes vom 20.4.1699
Bl. 4). Letztere betrafen Franckes Predigt vom 2. Februar (Purificatio Mariae) 1699, in der er
die Amtsführung seiner Halleschen Kollegen grundlegend angegriffen hatte: Er hatte seine Ge¬
meinde davor gewarnt, in Halle Predigten zu besuchen, weil man in diesen „die Warheit [...]
verlaestern, [...] verschmaehen und [...] verspotten" würde (Ein Unterricht vom Kirchengehen
[Francke-Bibliographie Nr. E 87.1], abgedruckt in: Francke, Predigten 1, 603-630, Zitat 623;
vgl. schon die Predigt Von den falschen Propheten [zum 8. So.n.Tr. 1698], Halle 1699 [s. Brief
Nr. 151, Anm. 10]). Die Stadtgeistlichen faßten dies als Eingriff in ihr Amt auf. — Der Vor¬
gang markiert den Beginn der bis zur Mitte des Jahres 1700 reichenden, erst durch den Einsatz
einer erneuten Untersuchungskommission beigelegten Auseinandersetzungen Franckes mit der
Halleschen Stadtgeistlichkeit, deren Tragweite nicht zuletzt durch die Positionierung der Stände
auf Seiten letzterer und der Berliner Regierung im wesentlichen auf Seiten Franckes (vgl. Anm. 5)
wie auch durch die Einbeziehung der gesamten theol. Fakultät kaum überschätzt werden kann
(vgl. v.a. Briefe Nr. 172, 174, 176, 180, 184, 189, 200f, 207, 212, 217f, 222, 223f, 228, 230;
Hinrichs, 222-231).
2 Jakob Heinrich Katsch (gest. 29.6.1722), kurbrandenburgischer Kammerrat und Lehns¬
archivar (AFSt/H Dill: 470f), über den Francke bestimmte Minister beeinflussen konnte (vgl.
Deppermann, 30; Canstein/Francke, 125. 385f u.ö.; vgl. SBPrKB, Nachlaß Francke, Kaps. 12).
3 Gemeint sein dürften neben Franckes Anschreiben an das Konsistorium vom 27.4.1699 (UA
[wie Anm. 1], Bl. 5-8) die hinzugefügten Beilagen: außer dem „Bekenntnis" (= Lit. C, s. Anm. 1)