626
Nr. 174 A.H. Francke an Ph.J. Später 5.8.1699
174. A.H. Francke an Ph.J. Spener
Halle, 05. August 1699
Inhalt
Sendet seine Darstellung der Auseinandersetzung mit dem Stadtministerium in der Hoffnung
auf ein Eingreifen des Kurfürsten.
Uberlieferung
A: AFSt/H D 88: 174
D: Weiske 2, 34
Halle den 5. Aug. 99.
Immanuel!
Mein theurester Vater in dem Herrn,
Hiemit übersende ich speciem facti 1 , ich habe es zugleich sauber geschrie¬
ben an den Herrn Geh[eimen] R[ath] von Fuchß gesendet 2 . Ich bitte doch
die Wichtigkeit solcher umstände zu erwegen, und Seiner Excellfenz] 3
vorzustellen. Verum est, ich habe eher zu wenig als zu viel gethan. Indessen
hat die boßheit so viel vermocht, daß wol 20 Eyde, dem Verlaut nach da¬
rüber geschehen 4 , und ich bin im gantzen lande auffs schändlichste deswegen
1 Gemeint ist wohl die von den Professoren der Theologie abgefaßte und an den Kurfürsten
adressierte „relation", „was zwischen so genanten Pietisten und dem Stadt=Ministerio hieselbst
vor religions=Zwisten wegen Vergebung der Sünden p. entstanden seyn sollen" (GStA PK HA [,
Rep. 52, Nr. 159b, 1531-1699, Bl. 1-2, Zitat Bl. l r ; UA Rep. 27, Nr. 1080, unpag. [Entwurf]).
Den größeren Teil dieses Schreibens bildet Franckes Bericht von seinen Auseinandersetzungen
mit dem Stadtministerium seit dem Frühjahr 1699 (GStA PK, aaO, Bl. l v —2'). Das Anliegen des
Briefes ist es, da „diese Sache annoch für dem Consistorio hanget", daß sich der Kurfürst „mit
dero höchsten autorität interponiren" und die Sache untersuchen lassen möge, damit sie bald
geklärt werde (GStA PK, aaO, Bl. 2 V ). Das Schreiben markiert den Versuch, die Angelegenheit
der Jurisdiktion des Konsistoriums zu entziehen, denn dieses wartete noch auf die am 13.7.1699
eingeforderte Stellungnahme Franckes zur Klage des Stadtministeriums vom 2.6.1699 (s. Brief
Nr. 172, Anm. 16). Dem Konsistorium antwortete Francke erst am 17.8.1699, als seine Reise
nach Berlin (s. Brief Nr. 175, Anm. 5) fest- und unmittelbar bevorstand: Er lehnte die Stellung¬
nahme weiterhin ab und betonte zudem, daß er die Originalakten der bisherigen Auseinander¬
setzung vorerst nicht aus der Hand gebe (UA Rep. 27, Nr. 1081, Bl. 78; AFSt/H A 107: 50
[Abschrift]). Am Tag seiner Abreise nach Berlin (21.8.) gab er die Akten nach Fertigstellung
mindestens zweier, am 19.8.1699 von dem Notar Georg Hennings beglaubigter Abschriften (vgl.
AFSt/H D 79: 104; A 107: 47 v ) dann doch an das Konsistorium zurück (vgl. die entsprechende
Notiz im UA Rep. 27, Nr. 1081, Bl. 76).
2 Möglicherweise handelt es sich bei dem im GStA PK überlieferten Exemplar des Schreibens
vom 3.8.1699 (s. Anm. 1) um die hier erwähnte, an Paul von Fuchs (s. Brief Nr. 95, Anm. 4)
gesandte Kopie.
3 Wohl Paul von Fuchs (s. Anm. 2).
4 Zum Vorgang wurde nichts ermittelt.