VI
Vorwort
halten, zu denen die einschlägige Literatur kaum beitragen konnte. Zur Kommentierung von Sachverhalten und zur Verifizierung der ca. 600 erwähnten Personen mußte deshalb in größerem Umfang handschriftliches Material hinzugezogen werden. Dabei handelte es sich zunächst um im Archiv der Franckeschen Stiftungen oder im Francke-Nachlaß der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (mikroverfilmt im Archiv der Franckeschen Stiftungen vorliegend) vorhandene Briefe von oder an Personen, die im Briefwechsel zwischen Spener und Francke erwähnt werden. Die Hinzuziehung ermöglichte häufig Personenidentifikationen und erhellte Sachverhalte. Briefe aus den Korrespondenzen zwischen Joachim Justus Breithaupt und Paul Anton mit Spener verminderten Informationsdefizite vor allem dort, wo die Überlieferung des Briefwechsels Spener — Francke Lücken aufweist.
Der erforderliche Nachweis erwähnter bzw. beigelegter handschriftlicher Konzepte, Memoriale, Suppliken, Protokolle etc. legte zunächst die Sichtung der ebenfalls im Archiv der Franckeschen Stiftungen sowie im Meuselwitzer Seckendorf-Archiv vorhandenen Akten der großen Untersuchungskommissionen von 1692 und 1699/1700 nahe. Ergänzend konnten die Bestände des Universitätsarchivs Halle, des Glauchaer Pfarrarchivs und des Archivs der Marktgemeinde in Halle hinzugezogen werden.
Bei den Archivrecherchen vor Ort wurde jedoch immer deutlicher, daß sich Franckes Aktivitäten bereits in der Frühzeit seines Wirkens in Halle in enger Verbindung sowohl mit dem Konsistorium als auch mit dem Berliner Hof vollzogen. Um die in den Briefen angesprochenen Themen sachgerecht erhellen zu können, mußten also Aktenbestände des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem (Hofebene) und des Landeshaupt- archivs Magdeburg (Konsistorialebene) gesichtet werden. Die Sichtung erwies sich als außerordentlich ergiebig. Das damit zugleich gegebene Problem eines angemessenen Verhältnisses von Aufwand und Nutzen konnte dadurch gelöst werden, daß für die in Frage kommenden Akten unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Relevanz für den Briefwechsel Inhaltsübersichten erstellt wurden, die — z.T. anhand von Kopien — eine gezielte Heranziehung dieser Materialien für den gesamten Briefwechsel ermöglichten.
Die in der Kommentierung zusammengetragenen Erkenntnisse werfen in mehrfacher Hinsicht ein neues Licht auf die Geschichte des Pietismus am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Dies gilt zunächst für die Etablierung des Pietismus hallischer Prägung in Brandenburg-Preußen und — damit im Zusammenhang — für die Gründung der Universität Halle. In der Kommentierung des Briefwechsels wird deutlich, daß schon die frühen Hallenser Aktivitäten Franckes nicht denkbar waren ohne den (kirchen-)politischen Einfluß des Berliner Kreises, den sich Francke zunutze machte. Sowohl in den Auseinandersetzungen mit der orthodoxen hallischen Stadtgeistlichkeit und dem Konsistorium als auch in der Durchsetzung einer Pfarramtspraxis, die aufgrund ihrer hohen Anforderungen an einen aus Franckes Sicht erkennbaren Zusammenhang von Glauben und Handeln und daraus resultierenden