Copie eines Briefes an Sr. HochEhrwürden, den Herrn Professor
Francken vom 6ten Novembr. 1738.
Ich nahm gestern nach den Nachmittags-G[ot]t[e]sDienst Gelegenheit mit dem Herrn
Thilo zu reden, als welcher zwar geraume Zeit wieder gesund ist, doch nicht
ausgehet, vielweniger zu uns kommt, ob er wohl weiß, daß er uns allezeit
lieb und werth ist. Ich erinnerte ihn meiner neulichen Bitte, alles das
wegzuschaffen, was bißher die Vereinigung unserer Gemüther gehindert
hätte, wodurch bey uns und der Gemeine viel Schaden geschehen, da es hin-
gegen derselben zur Erbauung, wie auch zu vielen leiblichen Guten dienen
würde, wenn wir als Brüder in Liebe und Vertrauen mit einander
leben könten. Er gab zur Antwort, daß er dem, wovon ich ihm neulich
Vorschläge gethan, zwar nachgedacht hätte, sehe aber keine Möglichkeit unserer
Harmonie, weil wir dem, wovon wir er volle Uberzeugung hätte, wieder-
sprächen und nicht nachgeben wolten. Dabey er auf mein Begehren weiter
herausging: es hätte ihn nemlich der liebe Heyland mit dem Dono immedia-
to et extraordinario Sp. S. begabt, deßen Leitung folge er u. kehre sich wei-
ter an kein raisoniren, worzu sonst s. Vernunfft eben so wohl wie die unsri-
ge geneigt sey. Daß er nicht in die Kirche und zum Abendmahl gehe,
sey keine Verachtung oder Aergerniß, sondern Gehorsam. Er habe recht-
schaffen Lehrer kennen lernen, die haben sich öffentlich solche Leute, wie
er sey, mit Eiffer angenommen, haben auch wohl öffentlich gesagt, sie
wünschten, daß alle ihre Zuhörer in der Gnade Gottes so weit kämen,
und aus der Kirche wegblieben. Ich sagte ihm, daß ich diesen hohen
Weg in der Schule des Herrn Jesu nicht gelernet, auch nichts davon in
den Collegiis der bewährten Herrn Theologorum in Halle davon gehöret,
dies aber wohl vernommen hätte, daß sie die Studiosos wie vor andern