Ein Regiments Feldscher von der Cavallerie, den mein Vater nicht kannte - mich aber den-
noch auf Recommendation eines andern angewiesen hatte ihn in allem um Rath zu fragen, schrieb
mir den Cursum meiner Lectionen für den Winter vor, wozu er noch Accuchement fügen
wollte. Ich stellte ihm vor, das wären ja lauter practische Collegia, die viele theoretische
Kenntniße voraus setzten, als woran mirs noch fehlte; ich ließ mich auch nicht zum Accuchement
bereden, welches ich erst im dritten und vierten Jahre meiner Academischen Laufbahn zu frequenti-
ren Willens war. Ueber diese vermeinte Rebellion entrüstete er sich und überschrieb meinem
würdigen Vater hinter meinem Rücken solche hangreifliche Unwahrheiten von meinem Verhalten
daß ich mich wundere, wie mein Vater, der ja meinen Character vollkommen kannte, ihm nur Glau-
ben beimeßen konnte; Ich erhielt schröckliche Briefe von meinem Vater; er wolle mich nicht für
seinen Sohn erkennen pp. Der Mensch nahm sichs heraus von Zeit zu Zeit ganz übermüthig
eine Inspection meiner Wirtschaft vorzunehmen, welches mich als einen Aspiranten zur höch-
sten medicinischen Würde von einem Felscheer nicht wenig verdroß; doch aus Deferenz für
meinen Vater zeigte ich ihm Bücher und Rechnungen pp ohne Zurückhaltung. Das nächste
Jahr sollte ich gar bei ihm ins Haus ziehen an dem den meisten Profeßorwohnungen entge-
gen gesetzten Ende der Stadt. Es war mir fürchterlich so ganz ein Sclave an seiner Kette zu seyn
und da ich noch dazu seit dem Anfang des Jahres 1782, fast lauter harte Briefe von meinem
Vater bekam, die ich nicht verdient zu haben glaubte, so entwich ich nach Caßel mit dem Vorsaz
Militär-Dienste zu nehmen, und nach Amerika zu gehen. Da //ich// mich aber nicht ohne die Versi-
cherung eines baldigen Avancements engagiren wolte, so verzog sichs so lange bis mein
Vater Naricht von meinem Aufenthalt erhielt und mir allen Segen aufkündigte, wenn
ich nicht gleich nach Haus käme und mit dem 14ten Hannöverschen neuen Regimente als
Gemeiner nach Indien ginge. Ich war froh, daß ich einmal Gelegenheit bekommen sollte, solche
entfernte Gegenden zu bereisen, und durch meine Talente (so neu war ich noch in der Welt) mir
einen gewißen Weg zu schneller Beförderung zu bahnen. Ich schrieb demnach einen sehr submißen
Brief an meinen Vater, bat ihm alles Vergangene aufs demüthigste ab und folgte dem Briefe
bald nachher. Mein theurer Vater hob mich, da ich ihm zu Füßen fiel, liebreich auf und vergab
mir. Ich hatte Erlaubniß die während meiner Abwesenheit eingelaufenen Briefe zu lesen, da
fand ich wie der Göttingische Feldscheer meinen Vater hintergangen hatte und bewies eine Un-
wahrheit auf der Stelle; aber freilich wars nun zu spät. Ich wollte ihm einen Brief schreiben
wie ers verdiente und denselben offen an einen von seinen Stabsoffizieren einschlagen,
aber mein Vater begehrte, ich mögte daran auf immer absehen, welches ich denn auch gethan habe.
Ich fand auch aus einem Briefe des Obersten Reinbolds, der das 14te nach Ostindien bestimmte
Regiment commandirte, daß ich nicht nur bereits als Gefreit-Corporal angesezt war, son-
dern auch wenn mein Betragen Beifall erhielte, auf eine baldige Beförderung gewiße Rechnung
machen könnte. Wer war froher als ich! Aber ein geringer Zufall zerstörte alle meine Luft-
schlößer. - Ich hatte von Caßel den Rothlauf (Erysipelas) am rechten Bein mit ge-
bracht, und denselben als eine Kleinigkeit nicht geachtet, sondern nur eine Leinwand auf den
offenen Schaden gelegt, und darüber Strümpfe und Stiefel angezogen. Der Schaden war größer
geworden, und das Blut drang durch die Strümpfe. Zum Unglück dachte ich daran nicht, zog den
ersten Abend kurz vor Schlafengehen die Stiefel ab, und kam mit Pantoffeln zur Abendandacht.
Nach dem Gebet fragte mich mein Vater, was ich da am Beine hätte? Keine Ausflüchte konnten
mich dispensiren, meinem Vater den Schaden zu zeigen; er wurd wegen der Seereise bedenk-
lich, und zog einen Feldscheer zu Rathe, der solange daran pflasterte, bis die Regimenter
nach Indien eingeschifft waren; so inständig ich auch meinen Vater bat, mich nur fort zu
laßen, der geschickte Regiments Chirurgus des 14ten Regiments würde die Cur weit geschwin-
der zu Stande bringen. Es hieß, die Seeluft würde das Uebel ärger machen; und alle mein
mir den Cursum meiner Lectionen für den Winter vor, wozu er noch Accuchement fügen
wollte. Ich stellte ihm vor, das wären ja lauter practische Collegia, die viele theoretische
Kenntniße voraus setzten, als woran mirs noch fehlte; ich ließ mich auch nicht zum Accuchement
bereden, welches ich erst im dritten und vierten Jahre meiner Academischen Laufbahn zu frequenti-
ren Willens war. Ueber diese vermeinte Rebellion entrüstete er sich und überschrieb meinem
würdigen Vater hinter meinem Rücken solche hangreifliche Unwahrheiten von meinem Verhalten
daß ich mich wundere, wie mein Vater, der ja meinen Character vollkommen kannte, ihm nur Glau-
ben beimeßen konnte; Ich erhielt schröckliche Briefe von meinem Vater; er wolle mich nicht für
seinen Sohn erkennen pp. Der Mensch nahm sichs heraus von Zeit zu Zeit ganz übermüthig
eine Inspection meiner Wirtschaft vorzunehmen, welches mich als einen Aspiranten zur höch-
sten medicinischen Würde von einem Felscheer nicht wenig verdroß; doch aus Deferenz für
meinen Vater zeigte ich ihm Bücher und Rechnungen pp ohne Zurückhaltung. Das nächste
Jahr sollte ich gar bei ihm ins Haus ziehen an dem den meisten Profeßorwohnungen entge-
gen gesetzten Ende der Stadt. Es war mir fürchterlich so ganz ein Sclave an seiner Kette zu seyn
und da ich noch dazu seit dem Anfang des Jahres 1782, fast lauter harte Briefe von meinem
Vater bekam, die ich nicht verdient zu haben glaubte, so entwich ich nach Caßel mit dem Vorsaz
Militär-Dienste zu nehmen, und nach Amerika zu gehen. Da //ich// mich aber nicht ohne die Versi-
cherung eines baldigen Avancements engagiren wolte, so verzog sichs so lange bis mein
Vater Naricht von meinem Aufenthalt erhielt und mir allen Segen aufkündigte, wenn
ich nicht gleich nach Haus käme und mit dem 14ten Hannöverschen neuen Regimente als
Gemeiner nach Indien ginge. Ich war froh, daß ich einmal Gelegenheit bekommen sollte, solche
entfernte Gegenden zu bereisen, und durch meine Talente (so neu war ich noch in der Welt) mir
einen gewißen Weg zu schneller Beförderung zu bahnen. Ich schrieb demnach einen sehr submißen
Brief an meinen Vater, bat ihm alles Vergangene aufs demüthigste ab und folgte dem Briefe
bald nachher. Mein theurer Vater hob mich, da ich ihm zu Füßen fiel, liebreich auf und vergab
mir. Ich hatte Erlaubniß die während meiner Abwesenheit eingelaufenen Briefe zu lesen, da
fand ich wie der Göttingische Feldscheer meinen Vater hintergangen hatte und bewies eine Un-
wahrheit auf der Stelle; aber freilich wars nun zu spät. Ich wollte ihm einen Brief schreiben
wie ers verdiente und denselben offen an einen von seinen Stabsoffizieren einschlagen,
aber mein Vater begehrte, ich mögte daran auf immer absehen, welches ich denn auch gethan habe.
Ich fand auch aus einem Briefe des Obersten Reinbolds, der das 14te nach Ostindien bestimmte
Regiment commandirte, daß ich nicht nur bereits als Gefreit-Corporal angesezt war, son-
dern auch wenn mein Betragen Beifall erhielte, auf eine baldige Beförderung gewiße Rechnung
machen könnte. Wer war froher als ich! Aber ein geringer Zufall zerstörte alle meine Luft-
schlößer. - Ich hatte von Caßel den Rothlauf (Erysipelas) am rechten Bein mit ge-
bracht, und denselben als eine Kleinigkeit nicht geachtet, sondern nur eine Leinwand auf den
offenen Schaden gelegt, und darüber Strümpfe und Stiefel angezogen. Der Schaden war größer
geworden, und das Blut drang durch die Strümpfe. Zum Unglück dachte ich daran nicht, zog den
ersten Abend kurz vor Schlafengehen die Stiefel ab, und kam mit Pantoffeln zur Abendandacht.
Nach dem Gebet fragte mich mein Vater, was ich da am Beine hätte? Keine Ausflüchte konnten
mich dispensiren, meinem Vater den Schaden zu zeigen; er wurd wegen der Seereise bedenk-
lich, und zog einen Feldscheer zu Rathe, der solange daran pflasterte, bis die Regimenter
nach Indien eingeschifft waren; so inständig ich auch meinen Vater bat, mich nur fort zu
laßen, der geschickte Regiments Chirurgus des 14ten Regiments würde die Cur weit geschwin-
der zu Stande bringen. Es hieß, die Seeluft würde das Uebel ärger machen; und alle mein
Remon-