Der Missionar Johann Ernst Gründler (1677-1720) schrieb im Februar 1712 in sein Tagebuch: „Fieng einer von uns an, einige medicinische Bücher in Malabarischer Sprache zu lesen, und … übersetzte zugleich das Vornehmste ins Teutsche. Der Titul davon ist dieser: der Malabarische Medicus, welcher kurtzen Bericht giebet, theils was diese Heyden in der Medicin vor Principia haben; theils auf was Art und mit welchen Medicamenten sie die Kranckheiten curiren.“ Gründler war der Ansicht, dass die medizinischen Vorstellungen der tamilischen Heiler für die europäischen Ärzte von Nutzen sein könnten, und sandte das Manuskript nach Halle. Als Pietist muss ihn besonders der ganzheitliche Ansatz der südindischen Medizin beeindruckt haben, der das kulturell-religiöse Umfeld in die Krankheitsbetrachtung mit einschloss und damit pietistischen Krankheitsauffassungen grundsätzlich ähnlich war. Die Schrift blieb unveröffentlicht, wenn auch nicht ganz unbeachtet. Noch im 18. Jahrhundert wurden Gründlers Darstellungen in der medizinischen Fachliteratur aufgegriffen, so z. B. in Kurt Sprengels 1792 erschienenem "Versuch einer pragmatischen Geschichte der Arzneykunde".
In der Vorrede seiner Schrift gibt Gründler den von einem Brahmanen verfassten Abriss der tamilischen Medizin (Sciagraphia medica) wieder, in dem diese als Bestandteil des Ayurveda charakterisiert wird. Der anschließende erste Teil des Werks umfasst in zehn Kapiteln die medizinischen Prinzipien und Regeln der tamilischen Krankheitsauffassungen, der zweite Teil beschreibt Medikamente und Rezepte. Schließlich erklärt ein tamilisch-deutsches Vokabular im Anhang die gebrauchten indischen Bezeichnungen. Einen Schwerpunkt der Beschreibung bilden die Methoden, mit denen tamilische Heiler die Krankheitsgattungen erkennen. Breiten Raum nehmen ferner Vorschriften für die Diät und gesunde Lebensführung ein. Viele der vorgestellten Rezepte behandeln Landeskrankheiten, wie Vergiftungen durch Bisse und Stiche, Augenkrankheiten u.a.
Eine genauere Untersuchung des Textes war bisher aufgrund seines schlechten Erhaltungszustands nicht möglich. Im Jahr 2007 ermöglichte eine Förderung durch die Kulturstiftung der Länder die vollständige Restaurierung der Handschrift durch die Firma „Bucheinband Exquisit“ in Leipzig.
Die beigefügte, ebenfalls restaurierte Zeichnung mit der Unterschrift „Der Götter – Tempel“ und der Darstellung der hinduistischen Trinität Brahma (vierköpfig - Schöpfer), Vishnu (grün –Erhalter) und Shiva (Zerstörer), das so genannte Trimurti, legte eine Zuordnung zu Bartholomäus Ziegenbalgs (1682-1719) Religionsstudie „Genealogie der malabarischen Götter“ nahe. Es ist bekannt, dass für diese Manuskript Zeichnungen angefertigt wurden. Im Vorwort des „Medicus malabaricus“ zeigte sich jedoch ein anderer, ganz neuer Hinweis. Gründler schreibt dort: „Der Götter Artzeney Tempel, so hierbey mit überschicket wird, kann in Kupfer vorangedruckt werden. Können die Nahmen, welche in der Erklärung gemeldet sind, zu ihrer gehörigen Figur im Kupfer gesetzet werden, so ists beßer. Können auch die Farben der Felder angedeutet werden, so kömmt es mit der Malabaren Beschreibung desto accurater über ein. Bey dem Stiche des Kupfers könnte man sich in etwas der Götter Figuren bedienen, so im Baldaeo stehen.“ Es handelt sich also um einen Entwurf des Titelkupfers für die beabsichtigte Veröffentlichung des „Medicus malabaricus“. Die Bildunterschrift muss mit dem Wort Artzney ergänzt werden. Interessant ist der Hinweis auf Philippus Baldaeus (1632-1672), dessen Werk sich durch teilweise prächtige Kupferstiche auszeichnet. Auf welche Erklärung sich Gründler bezieht, und ob „der Götter Artzeney Tempel“ im Manuskript näher beschrieben wird, wird sich erst bei der weiteren Arbeit mit der Handschrift herausstellen. |