Weimar. 1722. Januar. 251
Worte zu beleidigen, wozu mich einer //nimmer// mehr werde
gebrauchen laßen. Ich halte es vor eine würckliche Tod-
Sünde, wenn ein Prediger in Gottes Hauße und bey ei-
nem Hochansehnlichen Trauer-Convent, bestehend aus
etlichen tausend Menschen, offenbahre Lügen vorbrächte.
( ) Wie schändlich stünde es, wenn gelehrte, christliche und klu-
ge Leute, auf der Seiten stünden; ja noch unter der Rede
sprechen: Höret doch wie dieser Priester lügen kann. Die-
ses aber habe mir in Gottes Nahmen vorgenommen
zu behaupten: daß Krafft Officii Elenchtici, oder des
Straff-Amtes, ein Lehrer nicht verbunden sey, zu den
Sünden der Welt, aus Menschenfurcht still zu schweigen
sondern dieselben vielmehr mit göttlichem, heiligem, nicht
aber fleischlichen Eiffer zu bestraffen.
§. Unter vielen herrlichen Nahmen, welche dem
großen Gott in der Schrifft beygeleget werden,
gehöret dieser nachdenckliche, daß Er Zelotes, ein
Eifferer, genennet wird.
( ) Er hat dem menschlichen Geschlechte unterschiedene Gebo-
te gegeben, mit welchen es recht gut gemeynet; Wo aber
dieselben gebrochen werden, als denn scheinet Er als einem
Vater, ein gerechter Richter, ein Krieges-Mann und ein
Schütze zu werden; Ein Schütze, der den Bogen spannet, der
darauf leget Pfeile, die zugerichtet sind zum Verderben, zie-
let, //zielet// biß Er die Übertreter gedemüthiget.
( ) Es ist ein schändlich Ding, daß viele Prediger in den Leich-
Predigten bißweilen den Leuten sehr schmeicheln, und
ihren mit Lobes-Erhebungen gar gerne zuwillen seyn, und
des rühmens so viel machen, daß andere Christl. Hertzen ei-
nen Greul daran haben, die Zuhörer selbst erkennen, dieses
schändliche Wesen, und müßen wir leiden, daß sie sagen: Auf
der Cantzel geschehen die grösten Lügen
. vid. M. Chr. Gerbers
unerkannten Sünden. P. II. cap. VIII. pag. 200. 202.
( ) Exod. XXXII. V. 14. Ezech. XXXIX. V. 25.

  1. von fremder Hand