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Gott mit uns!
Erwählter Bruder!
Deinen an mich geschriebenen und mir immer wieder willkommenen Brief habe ich an ebendiesem Sonntag erhalten, wobei ich dich (so bekenne ich aufrichtig) nicht als Wolf, nicht als falschen Bruder, sondern als aufrichtigen Bekenner der himmlischen Wahrheit und wahren Bruder im Glauben an Christus gefunden habe.
O Gott, gib uns noch viele Brüder Luthers dazu!
"Denn Gottes Wort und Luthers Lehr
vergehet nun und nimmermehr." 1 Petr 1,25.
Dem Ewigen und dreimal Gütigsten sei ewig Lob, Ehre und Ruhm! Es mag aber sein, mein Bruder, dass gar viele von jenem Königsweg der Wahrheit abirren (und in der Tat ist es ganz und gar notwendig, dass die meisten abirren ), wenn nur wir unsere Seelen durch das Wort bewahren und nähren und die Seelen derer, die lieber auf das Wort Gottes hören wollen als auf irgendwelche eigenen, fremden oder von Satan stammenden Erdichtungen. Der dreieinige Gott bewahre uns, die Seinen, vor jener überaus ansteckenden Seuche der verkehrten Lehren unserer gegenwärtigen Zeit; ich wünschte aber auch, dass er diejenigen, die sich angesteckt haben, mit seinem heilsamen Wort erquickt und heilt. Ach! In was für ein
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Labyrinth von Elend, in einen wie großen See von Übeln geraten diejenigen, die mehr dem verkehrten Denken als dem uns reichlich offenbarten Wort Gottes glauben, die durch Werke Gnade oder durch die eingegossene Gnade Rechtfertigung zu erlangen suchen, damit sie selbst gerecht werden; ich kann es sogar selbst mit meinem Beispiel bezeugen. Satan quälte mich in meiner „selbstgemachten Frömmigkeit“ durch mannigfache Täuschungen und verführte mich, weil ich auf beiden Augen blind war. Aber das Evangelium, das wahre Licht der Welt, begann mir so zu leuchten, dass ich im Kampf nicht nur Frieden bei Gott genieße, sondern auch die Vorhaben der Feinde gegen Christus zur Rechten und zur Linken (wenn auch nicht alle und vollständig, aber dennoch) wahrhaft erkenne, damit ich nicht weiter "umhergeworfen und umhergetrieben werde von jedem Wind der Lehre durch das Würfelspiel der Menschen, durch ihre Verschlagenheit zur Arglist des Irrtums." Eph 4,14. Aber was? Fürwahr, meine Schwachheit und meine bisherige völlige Unbildung in vielen Dingen sind mir und anderen zur Genüge bekannt und bewusst. Doch habe ich Christus als Zuflucht, der mir Sünder vom Vater her ALLES geworden ist. 1Kor 1,30; Jer 33,16. Dieser kommt mir mit seinem Heiligen Geist zu Hilfe. Wer also wird den Unbezwingbaren bezwingen? Oder werde ich selbst Gott verlassen? Oder wird Gott selbst mich Gläubigen verwerfen? Das sei ferne! Denn der, der mich vorher gekannt hat, hat auch vorherbestimmt, dass ich gleichgestaltet bin dem Bilde seines einziggeborenen Sohnes; der, der mich berufen hat, hat mich auch gerechtfertigt und verherrlicht. Gewiss, mein Bruder! In so große Herrlichkeit gesetzt, will und kann ich mich der Sünde nicht hingeben. Doch glaube mir, ich spiele nicht mit Worten, sondern behandele ernste Dinge, und meine Herrlichkeit, die freilich noch in Christus verborgen ist, wird am Ende tatsächlich offenbar werden. Darüber freue ich mich; der Erlöser wird mich von allem Bösen befreien. Er hat mich von neuem hervorgebracht, er erneuert mich auch von Tag zu Tag. Er ist es, der begonnen hat, er ist es auch, der vollenden wird. Was habe ich mit der Sorge für meine Heiligung zu schaffen, da dies allein meinem Fürsprecher zukommt? Ich muss lernen, Sünden zu meiden, den Nächsten wie mich selbst zu lieben, recht und genau ("sorgfältig") nach dem Maßstab des göttlichen Wortes zu handeln, in allen Widrigkeiten auf Gott zu vertrauen, für mich, meine Brüder und alle Menschen zu beten usw. Die Heiligste Dreifaltigkeit möge also bewirken, dass ich mich als sorgfältig erweise. Denn gewiss muss ich als Christ sehr viele Aufgaben übernehmen. Aber kaum (du wirst es selbst bekennen) werde ich in diesem Leben in angemessener Weise, Sorgfalt und Vollkommenheit meine Schulden abzahlen. Denn in meinem Fleisch findet sich ein Gesetz, dass sich dem Gesetz des Verstandes widersetzt und sich dagegen auflehnt, weshalb ich dabei ertappt werde, dass ich tue, was ich nicht will, und lasse, was ich lieber will. Doch was dann? Ich habe in Adam gesündigt, und daher
"muss man ruhig ertragen, was auch immer man verdientermaßen erleidet."
Ich freue mich aber über die Gnade Gottes in Christus, und ich glaube an die Vergebung der Sünden (in diesem Leben, jedoch nicht auch, wie es sich Dr. Petersen vorstellt, in einem zweiten ). Joh 3,18. Christus wird gewiss nicht aufhören, in gewohnter Weise mein Versöhner zu sein. Röm 8,34. Auf dich, Jesus, vertraue ich, möge ich nicht zuschanden werden. Röm 10,33. Denn du rechnest mir zu, was dein ist, weil du selbst getragen hast, was mein ist. Röm 4,5; 6,24.25. Wer ist nun reicher als ich? Wer glückseliger? Aber auch du, mein und Christi Bruder, hast dies alles mit mir bekannt. –
Übersetzung: Thomas Hübner
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