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Es versetzt mich über alle Maßen in Erstaunen, wenn ich mir ins Gedächtnis rufe, was für eine Geilheit und Begierde deine Glieder eingenommen hat, was für eine Geilheit, sage ich, gegen die Heilige Schrift und überhaupt alle Lehrer unserer lutherischen Kirche, deren Schriften in innigster Weise nur von reinster, aus den klarsten Quellen der Heiligen Schrift geschöpfter Lehre sprudeln, wie Dannhauer, Gerhard usw. anzukämpfen und dich ihnen zu widersetzen, was gewiss nicht die geringste Sünde ist. Ich habe es in solchen Dingen immer für sicherer gehalten, das Urteil der Unsrigen als das der Pelagianer, Sozinianer und Calvinisten hinzuzuziehen, die alle allein danach trachten, uns mit ihrem

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Gift zu vernichten. Wie können also diese Finsterlinge und Nachtwandler uns irgendeinen Schutz bieten, wenn sie für sich selbst gerade in gewichtigeren Dingen nicht zu sorgen wissen? Kann denn ein Blinder einen Blinden führen? "Werden sie nicht beide in eine Grube fallen?" Sieh also zu, teuerster und in Christus Jesus überaus geliebter Freund, was du anrichtest, wenn du dich mit Gottes und unseren Feinden verbündest, und zwar nicht nur einmal, sondern in gar vielen Dingen. Ich werde, du mögest mir bitte verzeihen, einige wenige Momente anführen, in denen ich dir und deinem Urteil nicht den Daumen drücken kann. So hast du im Übrigen verworfen usw. ‒ ‒ Dass Zweifel bzw. Unsicherheit in Bezug auf Gott mehr dem Willen als dem Verstand zuzurechnen sind, wenn nämlich die Gottlosen mehr wollen würden und wünschen, dass es keine Gottheit gebe, als dies mit dem Verstand erfassen können, das ist meine Meinung; wenn es nicht nach deinem Geschmack ist, wird es mir gleich sein. Unterdessen bitte ich dich über die Maßen und flehe dich an, dass du nicht irgendetwas zum Schlechteren deuten oder mir zürnen magst. Ich habe dies nicht geschrieben, damit es dir Verdruss erweckt, sondern damit wir beide erkennen, wie wir so gut wie möglich zum Frieden zurückkehren. Ansonsten lobe ich, überaus liebenswürdiger Freund, deinen Verstand und deine Gesinnung sehr, in gleicher Weise habe ich eine leise Hoffnung auf dich gesetzt, dass du aufrichtig und rechtschaffen bist. Gott, der dreimal Gütigste und Mächtigste, möge deine und meine Seufzer erhören, uns in seiner Wahrheit heiligen und den Geist der Wertschätzung und Liebe in unsere Herzen ausgießen, er möge allen Hochmut auslöschen und selbst für immer unser Ruhm, Licht und Friede, unsere Ruhe und Freude sein. Amen.

Übersetzung: Thomas Hübner

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