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[Ich wünsche dir] Wohlergehen und Glück in jeder Hinsicht!
Hochberühmter und überaus vortrefflicher Herr Scharschmid, hochgeschätzter Freund!
Aus deinen drei Briefen, die du aus Narva an mich geschickt hast, habe ich voller Freude vernommen, dass du bis jetzt körperlich und geistig gut bei Kräften bist und dass du deine Sache angesichts der gegenwärtigen Lage der Dinge bisher so erfolgreich wie möglich betreibst, wenn auch nicht ganz nach unserem Wunsch. Ich hatte in der Tat schon damals, als du von uns weggingst, vorausgesehen, dass diese Berufung nicht ohne Schwierigkeit sein werde. Letztere scheint sich aus unserer, deiner Freunde, Sicht ziemlich vermehrt zu haben, da wir leicht erkennen können, dass diesem Auftrag gar vieles entgegensteht, am meisten aber jener königliche Erlass, kraft dessen Ausländer von dieser Berufung ausgeschlossen werden, um jetzt nicht noch etwas über die böswillige Absicht des Ministeriums hinzuzufügen, aus dessen Kreis jemand einige strittige Stellen aus deiner Predigt, die du einst an diesem Ort gehalten hast,
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herausgepflückt und dem Konsistorium mitgeteilt haben soll. Was es auch immer sein mag, es ist ganz und gar unvorstellbar, dass dieser heilige Auftrag fortgeführt wird, zumal bei einer so kleinen Anzahl derjenigen, die deiner Seite anhängen, falls nicht Gott, der dreimal Gütigste, „aus der Maschine“ seinen Beistand geben sollte. Bei uns war dein Mitbewerber Herr Brüning, der durch die eine oder andere bei den Unsrigen gehaltene Predigt großen Beifall erlangt hat. Sie haben ihm durch Herrn Vaget die Berufung auf eine Militär- bzw. Lagerstelle mit annehmbaren Bedingungen angeboten und mit der festen Vereinbarung einer künftigen Beförderung auf eine freie Stelle in seiner Kirche. Diese Versprechungen konnten ihn jedoch nicht dazu bewegen, ihnen eine unbedingte Zusage zu geben. Als Lobredner hatte er hier Herrn Mag. Vaget, dem er etwas von der Mayerschen Redegewandtheit und Schwülstigkeit zu haben schien. Er verzögerte die Sache bis zu seiner Rückkehr in die Heimat, so dass die feierliche Berufung dorthin übersandt werden musste. Inzwischen ist unser Vaget, zwei Wochen nach der Hochzeitsfeier, in ein sehr heftiges und beinahe tödliches Fieber gefallen, mit blutigem Auswurf und wildem Husten, in welchem Zustand er nun schon den neunten Tag in Lebensgefahr darniederliegt, jedoch mit ein wenig besserer Hoffnung auf Genesung. Möge Gott, der dreimal Gütigste und Mächtigste, wirken, was in seinen Augen gut und für die Kirche von Nutzen ist. Im Übrigen bin ich, wenn du vielleicht meinen Rat und meine Meinung erbittest, in deiner Sache der Ansicht, dass du ohne Zögern das ganze lange Warten abbrechen und wieder zu uns eilen solltest; erwünscht und ersehnt wirst du zu uns und vielen Guten kommen; vielleicht "wird sich" auch hier, "in dem Gewässer, wo du es am wenigsten glaubst, ein Fisch finden." – – Ich meine, dass sie (Herbers’ Brüder) dir gegenüber aufrichtiger sind als ihr Bruder, der ein Beobachter deiner einst gehaltenen Predigt war, wie mir aus den Worten Brünings unser Schwimmer berichtet hat. Derselbe hat einen Brief von einem mit ihm befreundeten Kurator der Gemeinde in Narva, in dem er sich über deine Berufung und ihren Erfolg ziemlich unbestimmt äußert. Aber dies dürfte vorbeigehen. Du, mein hochberühmter Herr Scharschmid, sei hier nicht allzu besorgt und lass dich nicht durch falsche Versprechungen und Anmaßungen göttlicher Berufung vom rechten Wege abbringen, während es möglich ist, das dir von Gott gewährte Ansehen anderswo besser einzusetzen. Aber mehr schreibe ich nicht in diesem Sinn, damit es nicht den Anschein hat, dass ich um meiner selbst oder der Meinigen willen öffentliche Interessen hemme. Du hast einen inneren Führer und Lehrer, der dich in alle Wahrheit führen wird. Doch ist auch die Stimme eines Freundes Stimme Gottes. Unser kleiner Laurentius grüßt dich kindlich, und er hört nicht auf, vor Verlangen nach dir zu brennen. Ich unterrichte ihn bis jetzt selbst nach Maßgabe der knappen freien Zeit durch Vorlesen der Heiligen Gespräche des Sébastien Châteillon. Er wünscht sich mit mir sehnlich anstelle jener zerfetzten Blätter ein anderes Exemplar, falls es irgendwoher zu bekommen möglich sein sollte. Wir erwarten deinen Rat, wie für seine Studien Sorge getragen werden kann. Auch erflehen wir deine Fürbitte für unser aller Heil und werden nicht nachlassen, Gott, unseren barmherzigsten Vater, für deinen glücklichen und auf die Ehre und den Ruhm Gottes
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gerichteten Erfolg anzuflehen, sowohl bei deinem gegenwärtigen Auftrag als auch bei allen künftigen. Lebe wohl und sei gegrüßt von uns allen, die wir sehr enge Hausgenossen und durch das Band der Verwandtschaft verbunden sind! Unser Schrader war zu den Eisenwerken aufgebrochen, während ich dies schreibe. Noch einmal lebe wohl! Gegeben in Eile.
Übersetzung: Thomas Hübner
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