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Überaus edler und erfahrener Herr Dr., in vielfacher Hinsicht ehrwürdiger Förderer und Freund!
Als ich unlängst von der Reise nach Dorpat zurückkehrte, die ich einigen Freunden zuliebe unternommen hatte, wurde mir dein geschmackvoller Brief zugestellt, der mich mit großer Bewunderung und Freude erfüllt hat, indem ich sowohl den trotz deines so hohen Alters flüssigen Stil bedachte als auch die Wechselfälle, die sich nach deinem Bericht nun schon bei euch ereignet haben, und die einzigartige Liebe, die mir aus deinem ganzen Brief unablässig entgegenweht. Gewiss würde ich, wenn die Macht Gottes mich nach meiner Sinnesart oder Neigung leben ließe, mich nirgendwohin lieber wenden, als demnächst bei dir zu sein, bester Mann. Da ich aber sicher bin, dass ich nicht aus falschen Einbildungen diese Gegend aufgesucht habe, sondern weil die göttliche Vorsehung mich so geleitet hat, die auf verschiedenartige Weise nicht selten befiehlt, die Richtung unseres Weges zu ändern, bin ich gehalten, so lange zu verweilen, bis ich durch den Ausgang der Sache erfahre, was der höchste Lenker der Dinge mir weiter zu tun befiehlt. Was den Vorgang meiner Berufung betrifft, strebt niemand so danach, ihn zu verzögern und, wenn möglich, abzubrechen, wie einer (und möglicherweise auch noch ein zweiter) aus dem Kreis der Geistlichen, der sich, wie man sagt, eifrig bemüht, mich hier und da verdächtig zu machen,
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und die Sache dadurch hingezogen haben soll, dass er sieben Bürger veranlasst hat, beim Konsistorium die Bitte vorzutragen, dass es nicht von so großer Notwendigkeit sei, einen dritten Pastor zu wählen. Wenn aber doch jemand gewählt werden müsse, sollten aus dieser Gegend Stammende eher berücksichtigt werden als Ausländer. Darauf antworteten diejenigen, die auf meiner Seite stehen, und es sind mehr als fünfzig, ausführlich und drängten unablässig auf meine Prüfung und Ordination usw. Dazu kommt, dass vor wenigen Tagen sowohl der edle Senat als auch eine Militärabteilung, keine gemeinen Soldaten, sondern ihre Vorgesetzten bis hin zu ihrem Kommandanten selbst, jeder einzeln mit einem Schreiben beim Konsistorium für mich eintraten und dasselbe begehrten wie die schon genannten Bürger. Nach diesen Geschehnissen habe ich jedoch noch nichts gehört, was das Konsistorium nun zu tun beabsichtigt. – – Wie auch immer es unterdessen um mich stehen mag, ich ertrage es, zumal zu dieser Zeit, in der man sich des grausamen Leidens Christi erinnert, mit dem Beistand der göttlichen Gnade gern und schlucke hinunter, was mit Löwenzähnen , wie ich höre, über mich gesagt und ausgestreut wird, weil ich mich freue und genau weiß, dass sich die Finsternis zwar dem Licht entgegenstellt, dieses aber dennoch immer jener überlegen sein wird. Das, was ein Kurator dieser Gemeinde von ungefähr Herrn Schwimmer erzählt hat, verdient nicht die volle Glaubwürdigkeit, sondern wird deshalb wenigstens zweifelhaft, weil er von der anderen Seite eingenommen und in jener obengenannten Siebenzahl, der er seinen Namen gegeben hat, inbegriffen ist, aus der sich, wie man berichtet, einer dadurch hervorgetan habe, dass er ihr seinen Namen beigefügt hat. Mag im Übrigen auch die Meute dagegen mit den Zähnen knirschen, was Gott in Gang setzt, wird günstig verlaufen, auch wenn jener weicht und durch die hinterhältigen Bestrebungen der Menschen vertrieben worden ist, den preiszugeben Gott nicht verweigert hat. Herr Brüning hat mich heute im Gotteshaus, wo ich durch die Gnade Gottes eine Predigt über das Leiden des Herrn gehalten habe, nach deren Ende zum ersten Mal begrüßt und recht freundlich angesprochen. Auch sein Verwandter, Herr Rat Schwartz, sagt, dass besser für ihn gesorgt werde, wenn ihm etwa noch die Gelder zur Verfügung gestellt würden, von denen er zwei Jahre lang an einer Universität leben könnte. Ich frage mich, wie es dazu gekommen ist, dass Herr Vaget sein Herz von Müller abgewendet und es so schnell diesem Brüning zugeneigt hat, obwohl jener [= Müller] doch in seinen Augen ebenso als Mayerianer galt. In Wahrheit aber hat man unter uns erfahren, dass Müller über Mayer anderer Ansicht gewesen sei als Vaget. Wir sehen aber, wie leicht Gott das Vorhaben der Menschen wenden kann, wenn, wie du schreibst, Vaget Brüning Hoffnung gemacht hat auf die Beförderung auf eine freie Stelle in seiner Kirche (denn er glaubte, dass diese ohne Zweifel demnächst durch den Tod von Pastor Jung vorhanden sein werde), während doch wenig gefehlt hat, dass er selbst in den Schlund des Todes und des Grabes geraten und gestorben wäre. – –
Übersetzung: Thomas Hübner
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