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An denselben, am 20. Mai.
Meine Sache ist hier schließlich so ausgegangen, wie ich es noch bei euch gleichsam prophezeiend vermutete; das Konsistorium hat mich nämlich, welche Bitten auch immer die Bürgerschaft in gebührender Weise für meine Beförderung vorbrachte, schließlich dennoch völlig ausgeschlossen und dafür unter anderem auch diesen
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Grund angeführt, dass ich bei den beiden deutschen Pastoren, nämlich Herbers und Helwig, hinsichtlich der Reinheit der Lehre im Verdacht stehe. Zur Verteidigung dagegen habe ich jetzt zweimal vor dem Konsistorium gegen dieses „edle Brüderpaar“ verhandelt und höre noch nicht auf, auf einem Beweis zu bestehen, falls sie bei mir etwas Irriges entdecken sollten. In der kommenden Woche werden wir alle wieder dort erscheinen müssen, wie vorgestern beschlossen wurde. Sie haben mich gewiss auf sonderbare Art beschuldigt, verletzt und verstoßen, aber was auch immer es sei, Gott sei ewiges Lob! Mit der Hilfe dessen, der in einzigartiger Weise beigestanden hat, beisteht und beistehen wird, habe ich mich so verteidigt, dass ich weiß, dass auch die Gemüter einiger Leute wunderbar aufgerüttelt worden sind. Aufgerüttelt worden ist die Bürgerschaft, und ich hoffe, dass weiterhin die Herzen vieler aufgerüttelt werden zum Verlangen nach der himmlischen Wahrheit. Wenn auch die Meute der Böswilligen von allen Seiten mit den Zähnen knirscht, darf und kann die Wahrheit doch nicht aufgehalten werden. Ich hatte mich entschieden, von hier wegzugehen, aber das Konsistorium fügt Hindernis an Hindernis, weshalb ich gezwungen bin, meinen Weggang aufzuschieben. Herr Dr. Fischer hat den Auftrag erteilt, dass ich zu ihm nach Riga eingeladen werde, weil er dort einiges mit mir besprechen will. Es heißt, dass er eine lange Reise unternehmen wolle, weshalb dort viele wünschen, dass ich unterdessen vielleicht für einige Monate an seiner statt die Kirchenkanzel besetze und von da jeden Sonntag eine Predigt halte. Ich zweifle jedoch überhaupt nicht daran, dass mich die göttliche Vorsehung so leitet, dass ich zu euch zurückkehre. – – Möge die höchste Macht Gottes wirken, dass überall einige erweckt werden, die dafür zu glühen beginnen, deren Ehre in einzigartiger Weise zu verteidigen. Denn das Reich Gottes steht allseits bevor, und es sei ferne, es sei ferne, dass wir es aufhalten, vielmehr wollen wir beharrlich immer alles tun, damit auch wir etwas zu seinem Ruhm beitragen. Wie stehen die Verhandlungen um eure Schulrektorenstelle? Wenn sie doch eine solche Person begehren und durchsetzen würden, die fähig und geeignet ist, die Jugend in rechter Weise zu bilden, damit im Gotteshaus nicht die Orgel größere Beachtung findet als die Einpflanzung und Bewahrung des Glaubens bei der zarten Jugend und auch die gute Bildung, über die unter Kaufleuten und Soldaten leider meistens tiefes Schweigen herrscht! Über die Art der Erziehung und Bildung von Söhnen edler und vornehmer Männer und ebenso der Erziehung von Jungfrauen vornehmer und edler Abstammung, die in Halle befolgt wird, wird sowohl brieflich als auch durch Freunde das Erfreulichste vermeldet. Ich werde veranlassen, dass auch in diese Gegend gelangt, was dort gedruckt wird.
Ebenso am 9. Juni.
Ich nehme an, dass du meinen neulichen Brief schon längst erhalten hast. Seitdem hat das Konsistorium noch nicht abgelassen, mich in der gewohnten Weise zu behandeln, sondern vielmehr mit allerlei „Tücken“ die Sache dahin gebracht, dass ich nicht nur von diesem kirchlichen Dienst ausgeschlossen, sondern, weil es dieser Ansicht war, sogar der Irrlehre bezichtigt worden bin, und das allein aus diesen beiden Gründen, dass ich erstens durchaus nicht wage, die Schriften Jakob Böhmes zu verwerfen, die ich doch niemals gelesen habe, sondern mein Urteil über ihn unentschieden lasse, und zweitens, dass ich meine, dass die Symbolischen Bücher anzunehmen seien, inwieweit sie mit der Heiligen Schrift im Einklang stehen. Sie sagen, dass dies gegen den Beifall der schwedischen (wohlgemerkt!) Theologen sei. Und dies ist bisher der Zankapfel gewesen, über den ich bald im Konsistorium, bald in den privaten vier Wänden beim Herrn Superintendenten
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häufiger streiten musste. Aber was auch immer ich dagegen gesagt, angeführt und aufgezeigt habe, am Ende hat man doch, obwohl sich das Gewissen sträubte, wie ich weiß, gemeinsam gerufen: Verwirf den Irrenden! Nun bin ich also gezwungen zu schweigen und vertraue meine Sache Gott an, der alles zu seiner Zeit ans Licht bringen wird. Der Herr Superintendent berichtete vor einer knappen Stunde, dass diese meine Angelegenheit von einigen, die auf meiner Seite stehen, vor den König gebracht worden sei, er zweifelte jedoch nicht daran, dass der König selbst sie, wie es zu geschehen pflege, wieder an das Konsistorium dieses Ortes zurückverweisen und demselben die Entscheidung so überlassen werde, wie ebenjenes die Sache überblicken könne. In Stockholm wird ein Pastor gefangen gehalten, weil es heißt, dass er gewisse Geschäfte des Herrschers nach seinem Gewissen bezeugt und beklagt habe. Ich warte gespannt darauf, dass mir die Beweggründe, die er angeführt hat, von einem Freund mitgeteilt werden. Herrn Dr. Döhnels Ehefrau ist jetzt erst aus Deutschland zurückgekehrt und hat diesen beiliegenden Brief von Herrn Ludolf mitgebracht. Es schien ihr, dass sie im Himmel gewesen sei, da sie eine Woche und mehr in Halle verweilt und dort die wunderbaren Werke Gottes geschaut hat. Gewiss ist ihre Seele von Gott mit einem wirksamen Zug beschenkt worden, daher hoffe ich, dass es so sein wird, dass sie sich auch künftig Gott hingeben und anderen Frauen als Ansporn zu einer christlichen Laufbahn dienen wird. Du dürftest wohl mit Freude sehen, dass auch in vielen anderen die Funken des Glaubens und der Liebe durch die Gnade des Geistes erweckt werden. Unter dessen Schutz mögest auch du, bester Mann, in Blüte stehen, wohlbehalten und gesegnet sein mit allen deinen Angehörigen, die ich herzlich mit dir grüße.
Übersetzung: Thomas Hübner
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