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Hochgeborne Gräfin,
Gnädige Gräfin und Frau,
Ew. Hochgr. Gn. gn. Schreiben vom 2. Jul. a.c. habe ietzo empfangen,
das an .......... gleich gelesen u. besorgen [lassen] durch den Stud.
Wallbaum, der mit ihm correspondiret, wünsche, daß alles wohl mit ihm
reussire. Ich habe kein Bedencken bei ihm gehabt, als daß er die Schul-studia
nicht so getrieben, als es ..... nötig haben möchte; u. weil ich ihn vor kurtzem
der Princessin recommendiret, konte ihn selbst, sonderl. so bald, nicht wieder
gleichsam abfordern. Gestern war ein gewesener Solms-Assenheimischer Cantzlei-
Rath, Frommann, bei mir, der ein guter Mann scheinet u. weil er dienstloß,
sich gern zu allem wolte gebrauchen laßen. Ich recommendire ihn nicht;
weil er mich aber gebeten, lege ich was von ihm hiebey. Im Fall sich
was für ihn finden solte, würde von anderen vielleicht mehrere notiz vov
ihm zu erlangen sein, denn ich weder gutes noch böses von ihm weiß.
Er ist 45 Jahr alt, und allem ansehen nach in affairen geübet. Seine
adresse habe ihn beisetzen laßen, weil ichs nicht gern zu meiner affaire
machen wolte. Bitte, alles gn. zu interpretiren. Wir freuen uns, Ew.
Hochgr. Gn. u. dero Herrn Gemahl bald in Halle zu sehen und uns zu
unserer rechten himmlischen Erbschafft mit einander zu schicken.
Verharre mit unterthänigem respect
Ew. HochGr. Gn.
unterthäniger Fürbitter
A. H. Francke.
Halle 6ten Jul. 1723
in aller eil.
 

Abgedruckt in: Schmidt, Berthold, Meusel, Otto (Hrsg.): A. H. Franckes Briefe an den Grafen Heinrich XXIV. j.L. Reuß zu Köstritz und seine Gemahlin Eleonore aus den Jahren 1704 bis 1727 als Beitrag zur Geschichte des Pietismus. Leipzig 1905, S. 105.