übrigens gesund u. frisch an Seele u. Leib. Der Segen
zu Blaubeuren ist mir in den Christ-feyer-tagen
ein rechter Lebens-Balsam gewesen. Eine Frau hat
sich kranck in die Kirche tragen laßen, u. da sie die
Predigt1 gehöret, hat sie gesaget: Nun wollte sie gerne
sterben. Ihr Eidam, ein Fischer, der mirs mit Freuden
erzehlete, setzte hinzu, u. ich will seiner nicht vergeßen,
so lange mir meine Augen offen stehen. Der alte 70
jährige praelat hörete mich den Spruch Rom: 14, 17 er-
klären, sagte drauf etliche mal, es hätte ihm eine beson-
dere impression gegeben, hätte es nie so eingeschauet, bath
ihm etwas davon schrifftlich oder gedruckt zu geben, daß ers
wieder nachlesen könte, summa er ließ merken, daß ihm
eine Evangelische Krafft davon ins Hertz gedrungen. In der
Predigt2 hatte ihm meine Stimme so wol gefallen, doch, hatte
er gesaget, was sage ich von der Stimme, es ist alles kräftig.
Was GOtt augenscheinlich an solchen alten Leuten wircket, ist einem
am allereindrücklichsten, u. darf ich sagen, daß dieser Alte
bei meiner Kindlichkeit, die mir der HErr aus Gnaden
verliehen, gleichsam mit zum Kinde worden. Dem HErrn sey
allein Ehre; aber ich muß dergleichen Dir zu Deiner Er-
qvickung schreiben. Ein mehrers leidet die Zeit nicht. Adieu.
A. H. Francke
Weil ich bißher alle Post-tage an Dich
schreiben wollen //u. geschrieben//, ist immer keine Zeit mehr
übrig blieben an den Herrn Pr. Herrenschm. zu schreiben, welches
denn auch damit bey ihm zu entschuldigen bitte.
 
[Text vertikal am linken Seitenrand]
Eure Briefe werden auf Augsburg gangen seyn, daher wir nun
etliche Post-Tage keine empfangen, erwarten sie aber von Augsburg.
 
 

Abgedruckt in: Neue Beiträge zur Geschichte August Hermann Francke's,
hrsg. von Gustav Kramer. Halle 1875, S. 45-47.
Kollationierung: Karsten Hommel