Halle d 28.ten Nov.
1719.
Geliebte Tochter in
dem Herrn,
Ihr Schreiben vom 6.ten Aug. 1718. habe ich wohl erhal-
ten. Daß Sie darin schreibet, sie habe in einigen
ihrer vorigen Briefe ihre dortige leibliche Umstände so
gut und köstlich vorgestellt, als Sie immer gekont,
das habe ich, da, ich dergleichen Briefe gelesen, auch al-
so befunden. Nun habe ich zwar ihren End-
zweck darunter leicht mercken können,
daß Sie neml. ihre Mama dadurch einen
Muth und Trost geben wollen. Ich bin aber
nichts desto weniger dadurch betrübet wor-
den. Denn ich gedachte, verhält sichs nicht in
allen Stücken so, wie sie schreibet, so ists ja
unrecht, daß sie die Unwahrheit schreibet,
wenn sie gleich darunter etwas Gutes inten-
diret, und solte ja nicht Böses thun, daß
Gutes daraus erfolge. Verhält sichs a-
ber so, wie sie berichtet, so ists weder
vor Gott, noch vor Menschen verantwort-
lich, am allerwenigsten aber dem Missi-
ons-Werck zuträglich, daß man sich
in solche Commodität, Gemächlichkeit u.
splen-
 
An die Fr. Pr. Ziegenbalgin in
Tranquebar.