Vertrauen auf eigene Frömmigkeit und andre an sich gute und gebotene
Dienge abgestriffen Sünders vor Gott bloß um Christi Versöhnung
und voll kommene Bezahlung willen, ist bisher eine recht kräfftige
Lock-Stimme des Herrn Jesu gewesen, uns alle in s. Wunden recht
zur Ruhe zu bringen. Wie wir denn zum Preis Gs bekennen
müßen, daß uns der freundliche Heyland zur Passions-Zeit
in den Betstunden aus des seel. Luthers Auslegung des 53 Cap.
Jes. einen ausnehmend schönen Seegen verliehen, auch uns
die Augen beßer aufgethan hat, diesen rechten Haupt Schatz des Evangelii
mit allem was dran hängt, beßer zu erkennen. O wie nöthig
ists für einen Lehrer, daß er den Artickel von der Rechtfertigung
lauterlich in der Schule des H. Geistes studirt habe, worauf der
seelige Lutherus sehr dringet, sonst stehet es um den Seegen
in der Gemeine schlecht und entstehen in der Gemeine mehr mo-
ralisten als wahre Christen, die zur Zeit der äuserl. und sonderlich
innerlichen Prüfungen nicht die Probe halten, und sich in ihrer Ge-
wißens Noth weder zu rathen noch zu helffen wißen. Das einige
Sprüchlein: Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt sondern
den Geist aus Gott, daß wir wißen können, was et cetera , I Cor. II 12
col. c. 8, 14. solte uns lehren, wie wir Theologiam studiren und
bey uns und andern ad praxin bringen solten. Gott gebe uns den
H. Geist im reichen Maaß, damit wir ihn bey unsern Zuhörern
zur Beförderung ihres ewigen Heils recht nützlich werden mögen.
Was ich dieser Tagen hieher gehöriges in der Paraenesi des sel. Prof.
Franckens über Hebr. X nachgelesen habe, hat mir viel Seegen ge-
bracht. Seit unserm Gedächtniß- und Danck-Fest hat mich Armen der
liebe Gott recht zusehens an Leibes- und Gemüthskräfften gestärcket, daß
ich eine so beständige Gesundheit in etlichen Jahren nicht genoßen
habe, welches ich weder der Diät noch Artzeney oder andern in ihrer
Ordnung guten und nützlichen Mitteln, sondern bloß der unverdienten Güte
Gottes und der hertzlichen und eifrigen Fürbitte meines hertzlichgeliebten
threuen und Werthen Herrn Collegen und der Gemeine zuschreibe. Er ziehe
mich von allen loß, und mache mich recht zu s. Werckzeuge noch et-
was Gutes auf die Ewigkeit zu bauen. Mein Bruder Gronau ist
noch immer wohl auf, und wächst in der Gnade und Erkenntniß unsers
Herrn und Heylandes Jesu Christi, und auch an Gaben zum Vortrag. Er predi-
get das Evangelium von Christi lauter, und in großer Krafft, und ar-
beitet an Kindern und Erwachsenen in Treue und Seegen. Die Glieder
der Gemeine sind fast alle wohl auf, und halten sich beständig zum
fleißigen und andächtigen Gebrauch der Mittel des Heils. Euer Hochwürden
werden aus den vorigen Diariis schon ersehen haben, daß wir beyde alle