Weimar. 1722. Januar. 25. 1
und nöthig, daß der treue Prediger spreche zu den großen
Kayser: Es ist nicht recht! Spreche zu den großen Fürsten: es ist nicht
recht? Speche zu allen, Niemanden ausgenommen: es ist nicht
recht! Vor Zeiten gab sich bey dem Kayser Andronico ein ge-
lehrtes Teufels Kind an, (ich mag ihn wohl mit recht also nen-
nen) das folgende Bitten anbrachte: Kayserliche Majestaet
möchten ihn zu den Patriarchen nach Constantinopel beruf-
fen, er wolte aus unterthänigster Devotion vor Ihro Kay-
serliche Majestaet in dem neuen Amte niemahlen ein Wört-
lein reden, welches sie nicht gerne hörete, dagegen aber alle-
zeit so lieblich reden, wie sie es verlangten.
( ) O vermaledeyete Devotion, wenn ein Patriarch, der
seinem Herrn aus der Hölle solte predigen, seinen Herren
und sich selbst elendiglich in die Hölle hinneinpredigte. Un-
terstünde sich heute zutage ein solcher Wolff, bey einem
Christl. Könige und Fürsten, um ein Geistliches Amt an-
zu halten, so würden Christliche Könige und Fürsten, wie-
wohl wenige, in einen Lobenswürdigen Eiffer aus-
brechen, einem solchen Miedlinge die Thüre weisen, und
gleich jenem alten Fürsten seuffzende sprechen: Mein Hof-
Prediger hat nun in Jahr und Tag, öffters die armen Un-
terthanen, niemahls aber seinen Fürsten gestraffet, wie
kann ich ihm solcher gestalt meine Seele anvertrauen.
Kayser: Es ist nicht recht! Spreche zu den großen Fürsten: es ist nicht
recht? Speche zu allen, Niemanden ausgenommen: es ist nicht
recht! Vor Zeiten gab sich bey dem Kayser Andronico ein ge-
lehrtes Teufels Kind an, (ich mag ihn wohl mit recht also nen-
nen) das folgende Bitten anbrachte: Kayserliche Majestaet
möchten ihn zu den Patriarchen nach Constantinopel beruf-
fen, er wolte aus unterthänigster Devotion vor Ihro Kay-
serliche Majestaet in dem neuen Amte niemahlen ein Wört-
lein reden, welches sie nicht gerne hörete, dagegen aber alle-
zeit so lieblich reden, wie sie es verlangten.
( ) O vermaledeyete Devotion, wenn ein Patriarch, der
seinem Herrn aus der Hölle solte predigen, seinen Herren
und sich selbst elendiglich in die Hölle hinneinpredigte. Un-
terstünde sich heute zutage ein solcher Wolff, bey einem
Christl. Könige und Fürsten, um ein Geistliches Amt an-
zu halten, so würden Christliche Könige und Fürsten, wie-
wohl wenige, in einen Lobenswürdigen Eiffer aus-
brechen, einem solchen Miedlinge die Thüre weisen, und
gleich jenem alten Fürsten seuffzende sprechen: Mein Hof-
Prediger hat nun in Jahr und Tag, öffters die armen Un-
terthanen, niemahls aber seinen Fürsten gestraffet, wie
kann ich ihm solcher gestalt meine Seele anvertrauen.
§. Seelen, Seelen ey welche wichtige Pfänder sind sie
sollen sie vermittelst eines heiligen Eiffers
dem höllischen Wolffe geraubet werden, so muß
derselbe Eifer mit Krafft, mit Glauben, mit
Gebet und Weißheit und Liebe vereiniget seyn. Nach-
dencklich lautet das Wort, welches der heil. Geist
in der Grundsprache brauchet, des Eiffers Ge-
stalt recht auszudrücken, er nennet es ἐλέγχειν
ein kräfftiges Uberzeugen, anzudeuten, wie das
Verbrechen von einem Zeloten dem Zuhörer können
klar vor Augen zumahlen, daß wo er nichtgantz
- von fremder Hand ↩