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Nr. 254 AM. Frauke an Ph.J. Spener 29. 11. 1704

Mayestät 14 die Sache dem Herrn Schardio 15 und dem Ober=Amtmann 16 zu untersuchen committiret und anbefohlen worden, daß, wenn das Consistori- um des Cantoris Leben und Wandel so befinden solte, wie wir es vorgestellet, derselbe von seinem Amte removiret werden solte. 17

Mit dieser Commission sind wir unsers Theils von Hertzen wohl zu­frieden, ob wir wol gewünschet hätten, daß Herr Doctfor] Breithaupt als

30 unser Ordinarius Inspector, und dem es Amts wegen zukommt, zugleich mit committiret wäre. Es kan uns aber dieses keinen Schaden bringen, maßen wir weder mit dem Cantore und seinem Weibe, noch mit jemanden anders in der Gemeine anders umbgegangen sind, als es uns bis anhero von S[eine]r Königlichen Mayestät selbst und dem Consistorio approbiret worden. Daß

35 des Cantoris Weib mit ihrer kläglichen Vorstellung auch uninteressirte Leute leichtlich einnehmen, insonderheit aber dem Könige eine große impression wider uns geben könne, wundert uns im geringsten nicht, hoffen aber, daß man zweyer Consistorialium ihren Zeugnißen 18 und unserm bisherigen Ver­halten ein mehrers als ihrem Vorgeben zutrauen wird, oder daß man zum

4o wenigsten den beyfall bis dahin werde ausgesetzt seyn laßen, bis die von S[eine]r Königlichen Mayestät geordnete Commission ihre relation werde abgestattet haben. 19

Sonst ist die Ursache, warumb sie Herr Freylinghausen vom Abendmahl abgehalten, diese gewesen, daß sie wie eine Furie in die öffentliche Glau-

14 Friedrich III. (I.) von Brandenburg (s. Brief Nr. 18, Anm. 11).

15 Wohl Friedrich Wilhelm von Scharden (18.10.1671-26.3.1734), geb. in Berlin; Studium 1687 in Frankfurt/Oder und 1692 in Marburg, danach in Holland und England; 1696 Hofpredi­ger in Berlin-Köpenick, 1699 Hofprediger und Konsistorialrat in Küstrin; seit 1702 reformierter Hofprediger und Konsistorialrat in Halle, ab 1712 zudem Inspektor der deutsch-reformierten Kirchen und Schulen im Herzogtum Magdeburg (Dreyhaupt 2, 7()7f; Gabriel, 329-334; Pfarrer­buch Brandenburg 2/2, 737; Auskunft Pfarrerkartei der KPS). Oder: Carl Ludwig von Scharden (gest. 1719), Hofrat und Pronotar zu Magdeburg (Dreyhaupt 2, Anhang, 143).

16 Johann Andreas Lohse (s. Brief Nr. 123, Anm. 8).

17 Der erneute Befehl an das Konsistorium, Budes Lebensführung untersuchen zu lassen, datiert vom 13.9.1704 (GStA PK HA I, Rep. 52, Nr. 129, Bl. 223 [Entwurf]).

111 Voten von Breithaupt und von Bode (s. Anm. 11 und 12).

19 Ein Untersuchungsbericht in der Angelegenheit ist nicht überliefert. Am 30.11.1704 bat Bude, ihn nicht ohne ein vorliegendes Untersuchungsergebnis vom Amt zu suspendieren. Zudem erbat er Wolfgang Melchior Stisser (s. Brief Nr. 81, Anm. 10) und Carl Ludwig von Scharden (s. Anm. 15) als Konkommissare (B. Bude an den König, Berlin, 30.11.1704, GStA PK HA I, Rep. 52, Nr. 129, 1703-1704, Bl. 238). - Am 9.12.1704 wurden die Klagen des Kantors wie auch der Glauchaer Gemeindeglieder (s. Anm. 4) endgültig abgewiesen (GStA PK, aaO, Bl. 222). Dies hatte möglicherweise mit einem offenbar von Spener unterzeichneten Brief an einen Freiherrn vermutlich Carl Hildebrand von Canstein (s. Brief Nr. 143, Anm. 1) vom 4.12.1704 zu tun: Darin bedankt er sich für die ihm zwei Wochen zuvor zugesandte Supplik der Glauchaer Gemeindeglieder (s. Anm. 4) und sendet diese zurück. Zudem berichtet er von einem Besuch der Kantorenfrau (s. Anm. 2) bei ihm und übersendet vermutlich in Kopie das Memorial der Glauchaer Pfarrer vom 24.7.1704 (s. Anm. 10) unter Hinweis auf den Umstand, daß dieses wegen des Todes von von Fuchs (s. Anm. 5)verworffen mag worden seyn" (GStA PK, aaO, Bl. 227 u. 241, Zitat 227 v ). Zudem referiert er u.a. den vorliegenden Brief Franckes. Es ist fraglich, ob es zu einer Untersuchung des Falles danach tatsächlich noch gekommen ist.