Mein liebstes Hertz, deine neuliche Erinnerung, daß
ich dir nicht immer selber schreiben möchte, hätte ich
dißmal gern in acht genommen; aber um der Liebe wil-
len, die ich zu dir habe, u. weil ich deinen Ge-
müths Zustand ge wahrgenommen, habe ichs dennoch
für nöthig gehalten. Hingegen gehet mirs ietzt aber-
mals, wie mirs eben deswegen bißher immer gegangen,
daß ich weder Herrn Herrenschm. noch sonst an-
dern in den nöthigsten Stücken antworten kan.
Sage es doch dem Herrn Herrenschmidt; denn
ich habe mich immer dafür geschämet, u. habe es doch
nimmer erzwingen können, weil ich Dich nicht zurück
setzen wollen. Ich stehe ordentlich um 4 Uhr auf,
wie zu Hauß, aber fluchs bey tage habe ich leute
auf dem Halse, wie denn auch ietzt gleich einen
deputirten vom Magistrat erwarte, der mich ins
Gymnasium führen sol, da muß ich nothwendig ab-
brechen. Die Qvittung für Herrn Schultzen kommet
hiebei, u. ist der quatembr. draufs gezahlet ist
hinzuschreiben. Grüße doch, wer zu grüßen
ist, mit Namen; u. sey starck in dem HErrn.
Adieu. A. H. Francke
geschloßen den 31. Jan.
1718. früh um 7 Uhr.
 
[Text vertikal am linken Seitenrand]
 
Betet doch fleißig, daß ich bald wieder zu euch komme.
ich wil ihn auch drum bitten, daß er ohne Abgang seiner Ehre und
seines Wercks doch sein bald bald geben wolle.
 

Abgedruckt in: Neue Beiträge zur Geschichte August Hermann Francke's,
hrsg. von Gustav Kramer. Halle 1875, S. 52-54.
Kollationierung: Karsten Hommel