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Königliche Milde gegen das Hallische Waisenhaus und Pädagogium.
An Herrn Landrath von Vinke in Minden.
Ich eile, Ihnen, m. th. Fr., von der freudigen Begebenheit Nachricht zu ertheilen, welche uns hier die verfloßnen Tage zu wahren Festtagen gemacht hat. Sie müssen einer der ersten seyn, der sie empfängt. Ich darf mich v ieler würdigen Zöglinge unsers Pädagogiums freuen; aber Sie muß ich immer unter den würdigsten nennen, Ich darf auf die Mitfreude vieler von denen rechnen, welche einen Theil ihrer Bildung den hiesigen Anstalten zu danken haben. Aber schwerlich werden Sie, von irgend einem darin übertreffen werden.
Echo» zu der Zeit, äl» ich Sie unter meinem Auge zum Jüngling aufwachsen sah, und mit einem Vergnügen, das mir nur selten in dem Grade zu Theil ward, die schöne Vereinigung eines säst gereiften und, süc alles ZLisienSwürdige und Gute in- teressiiten Verstandes nur der ungetrübtesten jugendlichen Heiterkeit, in Ihnen wahr nahm, schon damals hörte ich Sie oft mit einer Art von Unzufriedenheit darüber sprechen, daß ss gemeinnützige Institute, wie die Frankischen, so wenig Unterstützung von dem Staat genössen, dessen sie zu-bedürfen anfingen. Hülfe man doch, meinten Sie, jeder Fabrike, die nur einigen Gewinn für. das Land verspräche, auf. Sollten Bil- dungSanstalten für Taufende unbedeutender seyn? Auch, nachdem Sie unsre Schule verlassen halten, konnte der gemeine Eunieralgeist, welcher die Vortheile des Strare blos; nach dein berechnet, was sich i» Zahlen und Summen ausdrücken läßt, das brssere Gefühl, für den Gewinn an Aufklärung und Besserung derMen sehen, uicht> ersticken, ei» so trestichcrükonom und ein so thätiger Beförderer der Industrie auch in Ihnen dem Staat aufgewachsen ist. So oft ich die Freude halte Sie wieder zu sehen, waren Sie in diesen Grundsätzen, welche den echten Patrioten von dem indianische» und engherzigen Geschäftsmann auszeichnen, sich immer gleich geblieben.
So freuen Sie sich denn mit mir, daß die Zeit gekommen ist, wo beynah mit dem Anfang des zweyten Jahrhunderts dieser Stiftungen, ei» neuer schöner Morgen über sie aufgeht. Auch ihr erster Moigen, vor hundert Ia!>rcn, wo sie in, Entstehen waren, *) war heiter. Frankens Pflanzungen fanden im Geist des Zeitalters einen fruchtbaren Boden. Gegen die Mitte des Jahrhunderts hakte ihr Wohlstand auch jeine Mittagshöhe erreicht. Mit dem herannahenden Abend,
') Im Jahr 1698 am 24 Jul. ward der Grundstein des Waisenhau- ses gelegt.