praes. d. 1 Sept.
EbenEzer,
den 4. May
1802.
Geliebter Bruder im HErrn!
 
Die Begierde nach der gesegneten hallischen Artzeney ist hier sehr gros geworden, wie
Sie aus dem beigelegten Verzeichnis ersehen werden. Ich an meinem Theil brauche zwar wenig
Artzeney, es müßte es denn die äußerste Noth erfodern, doch kann ich es nicht abschlagen
für die Leute zu schreiben. Kommt die Artzeney mit göttlicher Hülfe wohl an, so wird sie gehörig
ausgetheilt, und mein Geschäfte ist vorbei, wenn es auch die hiesigen Aertzte verdrüßt, so
können sie mich doch nicht antasten. Hier handelt man sehr betrügerisch, man braucht sehr häufig
Turlington’s Balsam of Life, man tröpfelt ihn auf weisen oder braunen Zucker und soll
für Kopfschmertzen und Leibweh helffen. Wenn diese nebst andern Artzeneyen nicht so sehr
verfälscht würden, so möchten sie wohl gute Wirkungen hervorbringen. Die hallische Artzeney
ist ein für alle mahl besser als die hiesige. In Savannah würden sie die Doctoren nicht über-
hand nehmen lassen, aber auf dem Lande können sie es nicht verbieten. Niemand ist von mir
angesprochen worden, sich Artzeney verschreiben zu lassen, die Leute sind gleichsam in mich gedrun-
gen wieder zu schreiben. Nichts wird mit so heftiger Begierde verlangt als Balsam Büchsen. Daraus
können Sie auch sehen, daß nach Billigkeit gehandelt worden ist, wie würden doch sonst eine solche
Anzahl Leute wieder um etwas verschreiben lassen? In dem Verzeichnis ist alles genau angezeigt,
um wie viel Artzeney für richtige und willige Bezahlung gebethen wird. Die Leute sind geitzig genug,
wenn sie etwas weniges zur Erhaltung einer guten Ordnung, die auf Christenthum abzwecket,
beytragen sollen, aber ihre Gesundheit zu erhalten, bezahlen sie doch gern für hallische Artzeney.
Ich habe hier zu bemercken, daß meine Vorfahren, die Prediger und ihre Familien zu viel Ge-
brauch davon machten. Starcke Motionen und Bewegungen sind weit besser. In meinen ersten
Jahren verursachte mir das Reuten heftiges KopfWeh. Jetzt ist die Natur daran gewöhnt,
wenn ich ausreute hört das KopfWeh auf, auch war ich so schwächlich und so mitgenommen worden
in meinen ersten Jahren durch tödtliche Krankheiten, daß Jahre vergingen, ehe ich mich erholen
konnte, jetzt ist meine Natur stärcker geworden, doch darf Niemand glauben, daß EbenEzer ein
Ort ist, wo man gemächlich leben kann. Sorgen greifen den Körper //und Geist// heftig an. Es ist betrübt
daß die Zeit der Aufweckung noch nicht gekommen ist, die Menschen werden zwar durch die Predigt
des Evangelii geruffen, aber wie können sie kommen, wenn der Vater sie nicht mit Gewalt
zu sichen ziehet, ich habe hier nachdrücklich davon gezeuget, wie mir es gegeben ward, daß es höchst
betrübt wäre immer äusserlich durch die Predigt des Evangelii geruffen zu werden, und doch geist-
lich todt zu bleiben. Die Menschen sind dermasen in äussere Formen verstrickt, daß weder zu rathen
An Herrn Pastor Nebe.