An Herrn Inspector Fabricius.
EbenEzer im amerikanischen Georgien.
den 24. August
1790. 1
HochEdelgebohrner und
Hochzuehrender Herr Inspecktor!
Meine Briefe waren immer bisher vom betrübten Innhalt und mit trauriger Nachricht an-
gefüllt. Die Schuld liegt nicht an meinen Temperament das mehr zur Traurigkeit als zur
Freude, die auf der Welt nie vollkommen seyn kann, geneigt ist. Da die bisherigen
Nachrichten das Siegel der Wahrheit an sich tragen so kann ich mich in diesem //Falle// wohl beruhigen.
Wenn ein Unpartheyischer, der in Georgien wohnt, sie läse, so müste er bezeugen, daß ich
die reine Wahrheit geschrieben hätte. Man schreibt viel Vortheilhaftes aus Amerika
wovon kaum der zehnde Theil wahr ist. Man soll sein Vertrauen als Christ nicht weg-
werffen Hebr. 10, 35. In Ansehung meiner geistlichen Wohlfarth thue ich es auch nicht, denn
da würde ich mich schwer an Gott versündigen; so dunckel meine bisherigen Führungen waren,
so muß ich doch demüthig bekennen und rühmen was Gott that, das ist wohlgethan. Das FinanzWesen
in EbenEzer kann ich aber bei den jetzigen Menschen Geschlecht und der vorhergegangenen erschreck-
lichen Betrügereyen nicht wieder in Ordnung bringen. Ein Prediger soll sich nach der Law
in keine Gerichtshändel mischen. Man hat auch mit dem Evangelio und seinem Amt schon über-
flüßig zu thun. Wer darauf trotzt er thue, was er könne, und sich damit noch wie jene hoch-
müthige Pharisäer und Schriftgelehrten rechtfertigen will, der leistet etwas, das noch nie ein
sterblicher Menschen ausrichten konnte. Unter den sogenannten Frommen sind doch noch so manche
selbstgerechte Pharisäer. So du HErr, wilst ins Gericht gehen, wer wird bestehen? So nachdrück-
lich der Faule bestraft, und zum ewigen Verderben verurtheilt werden wird eben sowohl sind
auch die stoltzen selbstfrommen Pharisäer dem HErrn ein Greuel. Die reine Wahrheit
wie es mit EbenEzer steth und wie es in vorigen Zeiten gegangen ist, wäre wohl nie her-
ausgekommen, wenn ich nicht hätte die Bahn brechen müssen. Nie werde ich von dem, was
wahr ist, abweichen, sollte ich mir auch noch so viel verdrüßliche Händel dadurch zuziehen.
Der HErr wird mir endlich aus allen Gewirre heraus helffen. Ich bin mir bewust, daß ich
von aller Partheylichkeit entfernt bin. Wäre ich wircklich partheyisch, so würde ich nur einer
Parthey beypflichten. Entweder der rabenhorstischen oder triebnerischen. - Wer kann
aber das thun nach den reinsten Grundsätzen des Christenthums. Die Freiheit, auf welche
die armen Menschen so sehr pochen, ist ein bloße Chimaire. Gerade, als wenn die Menschen noch
im Standte der Unschuld lebten. Bei der verfallenen Menschheit wie sie jetzt ist, findet sie nicht statt.

  1. Anmerkung von [Gottlieb Friedrich Stoppelberg ?]: pr. den 15 May 1791. resp. d. 17. Sept. 1792 u. für 20 Reichstaler Medicin an Herrn v. d. Smissen geschickt.