Mein im HErrn sehr Werther Hertzens-Freund
und Bruder,
 
Ich habe mich schon längst gesehnet, ein schriftl. Zeugniß von
meiner beständigen Liebe gegen sie und schuldigen Andencken
vor Gott abzulegen, wenn es nicht Zeit und Umstände verhin-
dert hätten. sie seyen versichert, mein werther Bruder, daß
Ihre Liebe und Geduld, die Sie zu und mit mir gehabt, in mein-
nem Hertzen mein Lebelang eingedrucket bleiben, und mich zur
beständigen Gegenliebe und hertzlichen Fürbitte bey Gott antrei-
ben soll. Gott stehe mir in diesen guten Vorsatze bey, und
lasse es Ihnen wieder geniessen, ietzt und künftig, was ich armer
unnützer Wurm in Ihrer Gemeinschaft genossen, und gelernet
habe, ich glaube gewiß, sie werden nach Ihrem zur Liebe und
Versöhnung geneigten Sinn alles vergeben und vergessen haben, was
sowol Zeit meiner Information, als contubernii, vor leichtsinnige
Worte und Wercke, und was sonst mit der heylsamen Lehre unsers
Heylands, und seinem vollkommenen Exempel nicht übereinkommt,
mit unterlaufen ist. Gott der himmlische Vater hat mir um
meines Erlösers willen alles vergeben, das weiß und glaube ich,
nachdem ich mich solcher Vergehungen halber so wohl noch in Halle,
als auf meiner Reise gedemüthiget habe. Gott sey gelobet,
der Ihnen ietzt einen solchen Collegen geschencket, von dessen Red-
lichkeit, brüderlichen Liebe, evangelischem Wandel und Amts-
treue jedermann, der Augen hat zu sehen, überzeuget ist und
seyn kann: und also wird es Ihnen an Erquickung und Hülfe
nicht fehlen. Er, der treue Vater, setze Sie beyde, nebst dem
lieben Herrn Adj[unkten] Baumgarten und herrn Knap und andern treuen
Arbeitern in Halle, zu vielem Segen, daß man allenthal-
ben spüren möge, Sie seyen die Gesegneten des HErrn, und
man deshalb in Halle und an andern Orten, ja im Himmel
selbst, viel Halleluja anstimmen möge. Wie erfreulich soll
es mir und meinem lieben Bruder Gronau seyn, wenn wir
von Ihrem Segen auch an unserm Orte etwas hören werden?
Wie wallet mir mein Hertz, wenn ich an die vorigen Umstände
gedencke? Der Liebe Heyland hat mein Gemüth innig erquickt,