den Ort ihres Aufenthalts u. ihre Umstände wüste. Die Nachricht von meiner
abgebrandten Vater-Stadt ist höchst betrübt: Gott helffe den armen Leuten,
u. darunter auch meinen lieben Geschwistern, u. laße Ihnen dieses schreck-
liche irdische Feuer zur Errettung ihrer Seelen eine gute Gelegenheit seyn!
Ich hoffe, meine Briefe an dieselben, u. an ihren Herrn Superintendenten
wird wol schon längst angekommen seyn. Was Ew. Hochwürden im Be-
schluß Ihres Werthen Briefes von den übersandten wenigen Seiden-Wurm-
Saamen melden, ist mir auch angenehm gewesen: Meine l. Frau wird
sich eine Freude daraus machen, dem lieben Waysenhause gern mit mehrern
von dergleichen Saamen zu dienen. Sie hat, wie in andern Dingen, also
auch in Seide-Machen gute Geschickligkeit u. Erfahrung, vornehmlich aber
den Seegen des Herrn; daher sie bey ihrem gebrechlichen Leibe u. vielen Hauß-
Arbeit mit Beyhülffe eines Mägdleins u. unter weilen unserer beyden
Söhnlein, in 5 Wochen über 130 Pfund schöne große Seiden-Kugeln gemacht
hat, welches nicht nur andern unsern l. Saltzburgern zum guten Exempel, son-
dern auch in unserer Haußhaltung in diesem theuren Lande eine große
Beyhülffe ist. Weil sich Herr Mayer in die äuserlichen Geschäffte viel zu
wenig einlaßen wil, so muß die verfertigte Seide auf 2 Machinen
in einer räumlichen Küche auf unserm Hofe unter der Aufsicht mei-
ner Frau abgesponnen werden, welches überaus glücklich von statten gehet.
Dieses Jahr ist die hier verfertigte Seide über 700 Pfund gestiegen, u. die
3 junge Weibs-Personen können täglich 1 ½ Pfund oder 24 Unzen Seide
von den Kugen abwinden. Bißher haben die Encouragements der Herren
Trustees mehr in guten Worten als in Realitaet u. That bestanden,
u. habe ich daher zur Beförderung dieser guten Sachen manches wagen, auch
manche Unruhe u. Kosten übernehmen müßen. Solten sie mich stecken,
und die versprochene Encouragements unerfüllet laßen, so sorge, es werde
die angefangene Seiden-Manufactur an unsern Orte (an andern Orten
dieser Colonie ist nicht viel) gantz wieder rückgängig werden, wovon
ich ietzt die Ursache nicht schreiben kan. In diesem Lande ist nicht schwer
Seide-Machen, unsern armen Einwohnern aber fällt noch alles schwer,
u. sie brauchen daher bey ihren meist vergeblich abgearbeiteten Kräfften
noch einige Beyhülffe, die sie bisher mehr aus Teutschland als England
gehabt. Ich bin abermal wieder mein Vornehmen im Schreiben zu lang,
und vermuthl. Ew. Hochwürden beschwerlich worden. Ich schließe mit denen
am Waysenhause stehenden u. heute an uns aufs neue gesegneten Worten:
Die auf den Herrn harren, kriegen neue Krafft, daß sie auffahren p.
Womit unter vielfacher hertzlicher Begrüßung von mir, Herrn Lemcken
u. den Unsrigen verbleibe
Ew. Hochwürden
Meines in Christo Werthgeschätzten Herrn Doctoris
Zu Gebet, Liebe und Dienst ergebenster
Johann Martin Boltzius