Dingen das Vergnügen der Seelen oder das Höchste Gut nicht gefunden würde, sondern
Gott allein wäre das höchste Gut: Denn ich merckete wohl daß die unsterbliche Seele sich
mit nichts von dergleichen abspeißen ließe, ob sie schon ausih irthum, da Sie von Gott abgekehret
ist, alles vorhero in der Welt gekostet und gemeinet, bald hierin bald darin würde sie
beruhen können, allein wenn sie nun dieses auch hat, was sie verlanget, so ist sie doch
in kurtzen wieder damit nicht zufrieden und suchet also immer noch was beßers biß sie
nach langem herumwandern endlich zum höchsten Gut selbst kommet. Als dann schämet sie sich
daß sie anderswo außer Gott, das höchste Gut gesuchet habe. Durch diese Meditation ward
ich gäntzlich überzeuget, daß Gott das höchste Gut meiner Seelen seyn müste, und ich wuste
nun mehro gewiße, daß alle Zeitlichkeiten als Eitelkeiten betrüglich wären. Einsten nach
dem Mittags Eßen ging ich in Geselschafft mit einigen von meinen Comilitonibus über die
Brücke spatzieren, die nicht weit vom Gymnasio ist. Wir kamen auf ein Gespräch von
der Universität Halle zu reden, da angeführet ward, wie auf derselben die wahre Gottsee-
ligkeit sonderlich getrieben und dem Studiosis recommendiret würde. Ich kann mich zwar
nicht eigentlich besinnen was für eine Connexion unser discours gehabt, allein das weiß
ich noch wohl, daß ich Ihnen meine Meynung davon (die Uhrsache aber, warum ich so heraus ge-
platzet, kan ich nicht sagen)dergestalt eröffnete mit diesen Worten: Wenn ich nach Halle
komme, werde ich gantz anders werden. Gewiß ist es, ich verstand damahls nicht, was ich
sagete und dennoch prophezeyte ich mir (daß ich alhier dieses Wort gebrauche) etwas gutes.
Was meine äußerliche Studia anbetrifft innerhalb 2. Jahren und 20. Wochen meines
Auffenthalts in Berlin, so lernete ich ietzo nach meinem Bedüncken in einer Woche mehr
als sonsten vorhero in einem Jahr. Das angefangene Hebraeische continuirte bey D. Volck[-]
mann glücklich und lernete auch bey Ihm privatim so viel Syrisch, daß ich das N. Testament
verstehen konte. In der Francoischen Sprache avancirte so weit, als ichs nöthig erachtete.
Das griechische N Testament las ich vier mahl propria marte durch und in stylo fand ich noch
gute exercitia ehe und bevor ich wircklich nach Halle //auf die Universität// ziehen wolte. Ich ging auch mit in die Collegia
juridica und hörete mit an die Institutiones [... juris n]aturae et genti[um]. Zwar hatte mir
keiner eben gerahten nach der Hallischen Universität zu ziehen, viel eher aber befanden sich einige
die es lieber gesehen hätten, daß ich wäre nach Francfurt oder Jena gezogen, allein ich wuste meiner
Mutter Willen in diesem Stücke und so blieb denn auch mein Vorsatz unverändert nemlich ich müße
nohtwendig nach Halle reisen. Nun nach Halle reisete ich und kurtz vor Halle bey dem
Petersberg fiel mir ein sehr nachdencklicher Spruch ein: //nemlich Er wird gut alles machen und fordern deine Sachen, wie dirs wird selig seyn// worüber ich höchlich erfreuet und getröstet
wurde, in der Hoffnung, Gott würde sich meiner in allen Gnaden erbarmen und annehmen.
Anfangs da ich nur wenig Wochen in Halle gewesen, kam mir alles fast fremde vor,
sonderlich aber merckete ich wohl daß das Studium Theologicum gantz ein ander Ding wäre
als ich es mir bishöre hatte einbilden können. Daß ich nicht from wäre, das wuste ich doch
wohl, aber daß ich kein grober Sünder äußerlich wäre, das wuste ich auch. Nun from zu werden
meynete ich, ginge ia mit eins nicht an, mit den Jahren würde es sich wohl nach und nach
von sich selbsten finden, man ginge sachte fort und käme doch zum Ziel und Ende. Dieses war
meine Meynung als der allgemeine Wahn aller Heuchler die von keiner Hertzens Verän-
derung wißen. Auch hielt ichs vor gleich viel, wo ich des Sonntags die Predigten besuchte und
mein Stuben Gesell, der ein viertel Jahr vor mir in Halle gewesen, hatte Mühe genug mich
dahin zu vermögen, daß ich mich endlich resolviren konte, mit ihm beständig in die Singe-Stunden
und Predigten zu gehen, die von unsern Lehrern gehalten wurden. Und O! wie streubete
ich mich in unserem Collegio Biblico zu proponiren und in Geselschaft mit Ihm mich vor
Gott auf unsern Knien ins Gebeht zu vereinigen. Allein sein beständiges urgiren,
ob ich gleich seiner argumente nicht alle vor ausgemacht annahm, ermüdete meinen
Sinn und fing meinen wilden Willen dergestalt zu zämen an, daß ich allenthalben mit
ihm dahin folgete, wo Er nur hinging. Nachdem ich denn so weit gewonnen und mich in
diese Ordnung mitbegeben hatte, begab es sich nach Ver1auff einiger Tage, daß ich in der
Singe-Stunde war, welche der Herr Professor Francke hielt. Ich gab auf alles Achtung und
schien gäntzlich mit einer sonderbahren Conviction ein genommen zuseyn, die ich aus dem
Vortrage bekommen, ob ich gleich keine eigentliche Expression behalten, die mir Weh
oder Wohl gethan. Da ich aber nach Hause kam, ward mir ums Hertz Angst und bange,
Gott allein wäre das höchste Gut: Denn ich merckete wohl daß die unsterbliche Seele sich
mit nichts von dergleichen abspeißen ließe, ob sie schon aus
ist, alles vorhero in der Welt gekostet und gemeinet, bald hierin bald darin würde sie
beruhen können, allein wenn sie nun dieses auch hat, was sie verlanget, so ist sie doch
in kurtzen wieder damit nicht zufrieden und suchet also immer noch was beßers biß sie
nach langem herumwandern endlich zum höchsten Gut selbst kommet. Als dann schämet sie sich
daß sie anderswo außer Gott, das höchste Gut gesuchet habe. Durch diese Meditation ward
ich gäntzlich überzeuget, daß Gott das höchste Gut meiner Seelen seyn müste, und ich wuste
nun mehro gewiße, daß alle Zeitlichkeiten als Eitelkeiten betrüglich wären. Einsten nach
dem Mittags Eßen ging ich in Geselschafft mit einigen von meinen Comilitonibus über die
Brücke spatzieren, die nicht weit vom Gymnasio ist. Wir kamen auf ein Gespräch von
der Universität Halle zu reden, da angeführet ward, wie auf derselben die wahre Gottsee-
ligkeit sonderlich getrieben und dem Studiosis recommendiret würde. Ich kann mich zwar
nicht eigentlich besinnen was für eine Connexion unser discours gehabt, allein das weiß
ich noch wohl, daß ich Ihnen meine Meynung davon (die Uhrsache aber, warum ich so heraus ge-
platzet, kan ich nicht sagen)dergestalt eröffnete mit diesen Worten: Wenn ich nach Halle
komme, werde ich gantz anders werden. Gewiß ist es, ich verstand damahls nicht, was ich
sagete und dennoch prophezeyte ich mir (daß ich alhier dieses Wort gebrauche) etwas gutes.
Was meine äußerliche Studia anbetrifft innerhalb 2. Jahren und 20. Wochen meines
Auffenthalts in Berlin, so lernete ich ietzo nach meinem Bedüncken in einer Woche mehr
als sonsten vorhero in einem Jahr. Das angefangene Hebraeische continuirte bey D. Volck[-]
mann glücklich und lernete auch bey Ihm privatim so viel Syrisch, daß ich das N. Testament
verstehen konte. In der Francoischen Sprache avancirte so weit, als ichs nöthig erachtete.
Das griechische N Testament las ich vier mahl propria marte durch und in stylo fand ich noch
gute exercitia ehe und bevor ich wircklich nach Halle //auf die Universität// ziehen wolte. Ich ging auch mit in die Collegia
juridica und hörete mit an die Institutiones [... juris n]aturae et genti[um]. Zwar hatte mir
keiner eben gerahten nach der Hallischen Universität zu ziehen, viel eher aber befanden sich einige
die es lieber gesehen hätten, daß ich wäre nach Francfurt oder Jena gezogen, allein ich wuste meiner
Mutter Willen in diesem Stücke und so blieb denn auch mein Vorsatz unverändert nemlich ich müße
nohtwendig nach Halle reisen. Nun nach Halle reisete ich und kurtz vor Halle bey dem
Petersberg fiel mir ein sehr nachdencklicher Spruch ein: //nemlich Er wird gut alles machen und fordern deine Sachen, wie dirs wird selig seyn// worüber ich höchlich erfreuet und getröstet
wurde, in der Hoffnung, Gott würde sich meiner in allen Gnaden erbarmen und annehmen.
Anfangs da ich nur wenig Wochen in Halle gewesen, kam mir alles fast fremde vor,
sonderlich aber merckete ich wohl daß das Studium Theologicum gantz ein ander Ding wäre
als ich es mir bishöre hatte einbilden können. Daß ich nicht from wäre, das wuste ich doch
wohl, aber daß ich kein grober Sünder äußerlich wäre, das wuste ich auch. Nun from zu werden
meynete ich, ginge ia mit eins nicht an, mit den Jahren würde es sich wohl nach und nach
von sich selbsten finden, man ginge sachte fort und käme doch zum Ziel und Ende. Dieses war
meine Meynung als der allgemeine Wahn aller Heuchler die von keiner Hertzens Verän-
derung wißen. Auch hielt ichs vor gleich viel, wo ich des Sonntags die Predigten besuchte und
mein Stuben Gesell, der ein viertel Jahr vor mir in Halle gewesen, hatte Mühe genug mich
dahin zu vermögen, daß ich mich endlich resolviren konte, mit ihm beständig in die Singe-Stunden
und Predigten zu gehen, die von unsern Lehrern gehalten wurden. Und O! wie streubete
ich mich in unserem Collegio Biblico zu proponiren und in Geselschaft mit Ihm mich vor
Gott auf unsern Knien ins Gebeht zu vereinigen. Allein sein beständiges urgiren,
ob ich gleich seiner argumente nicht alle vor ausgemacht annahm, ermüdete meinen
Sinn und fing meinen wilden Willen dergestalt zu zämen an, daß ich allenthalben mit
ihm dahin folgete, wo Er nur hinging. Nachdem ich denn so weit gewonnen und mich in
diese Ordnung mitbegeben hatte, begab es sich nach Ver1auff einiger Tage, daß ich in der
Singe-Stunde war, welche der Herr Professor Francke hielt. Ich gab auf alles Achtung und
schien gäntzlich mit einer sonderbahren Conviction ein genommen zuseyn, die ich aus dem
Vortrage bekommen, ob ich gleich keine eigentliche Expression behalten, die mir Weh
oder Wohl gethan. Da ich aber nach Hause kam, ward mir ums Hertz Angst und bange,