Ich erblickte das Licht der Welt am 26ten Mai. 1791 zu Olbernhau, einem Marktflecken nahe an
der böhmischen Grenze im Sächsischen Erzgebirge, wo mein Vater M. Johann Andreas Jacobi, Oberpfarrer-
pfarrer war. Ich erhielt in der heiligen Taufe den Namen Christlieb Augustin, war aber in den ersten
Jahren meiner Kindheit so schwächlich, daß man durchaus keine Hofnung zu meiner Erhaltung hatte. Dies
ging meinen Eltern sehr nahe, und ich habe öfters mit vieler Rührung von ihnen gehört, wie sehr sie um
mein Leben zu Gott gefleht hätten. Man hielt es meiner schwächlichen Leibesbeschaffenheit wegen für
dienlich, mir mehr Freiheit zu verstatten, als man mir sonst, wenn ich gesünder gewesen wäre, zugestanden
hätte. Hatte dies den Vorteil, daß ich nach und nach einen äußerst festen Körper erlangte, so daß ich jetzt alle
Strapatzen aushalten kann; so war doch zugleich auch der Nachtheil damit verbunden, daß ich in meiner Gegend
der wildeste Knabe wurde. Zum größten Glück aber suchten mir meine Eltern frühzeitig fromme Gesinnungen
einzuflößen. Wie sehr legten sie mir ans Herz, die Bibel fleißig zu lesen! Alle Abend setzte sich der Vater oder
die Mutter an mein Bett und hielten mich zum Gebet an. Als ich älter wurde, mußte ich jeden Sonntag
in die Kirche gehen, die Kälte mochte noch so groß seyn. Hier muß ich aufrichtig gestehen, daß mich alle-
mal, wenn ich die Kirche versäumet, eine unbeschreibliche Wehmuth und Sehnsucht nach den schönen Gottesdiensten
des Herrn überfiel. Verstand ich gleich öfters nicht viel von der Predigt, so waren es doch die schönen Gesänge,
[die] für mich so viel herzerhebendes hatten. Nun sollte man denken, alles dieses würde einen großen
Einfluß auf meine Handelsweise gehabt haben; aber wie verderbt ist das menschliche Herz! ich ließ alle
meine Frömmigkeit in der Kirche. Kaum war ich aus der Kirche, als ich mich allen nur erdenklichen Aus-
schweifungen überließ; ich unternahm die tollkühnsten Sachen, gerieth unzähliche mal in Lebensgefahr.
ich wurde verführt und verführte andere. Ach! wie viel Thränen und Gebet habe ich meinen Eltern ge-
kostet; ich war unter allen meinen Geschwistern das ungehorsamste Kind, und dennoch hatten meine
Eltern eine besondre Vorliebe für mich. – den unmöglich konnte ein Kind so vieler Thränen verloren
gehen. Meinem Vater mußte ich immer Rechenschaft von meinen Handlungen geben. Hatte ich nun
etwas böses gethan, so stellte er mir die Sache so vor, daß ich einen Abscheu für jede böse Handlung be-
kommen mußte, er sagte öfters zu mir: Wenn du nun den Augenblick sterben solltest, glaubtest
du auch in den Himmel zu kommen? Dies machte immer einen großen Eindruck auf mich, aber leider dauerte
es nicht lange. Hatte ich Strafe bekommen, so ging ich gewöhnlich in die Einsamkeit, weinte und bat Gott,
er sollte mir alles vergeben, ich wollte es nie wieder thun: aber ach! wie oft habe ich mein Versprechen
nicht gehalten. Einst wüthete die Ruhr in meinem Orte; die ganze Zeit über ging ich in mich, und war
nicht mehr so wild, aus Furcht Gott möchte mir auch diese Krankheit zuschicken und mich sterben laßen.
Ob ich gleich sehr wild war, so muß ich gestehen, daß ich gegen alle rauschende Lustbarkeiten z. B.
gegen das Tanzen, und gegen alle lächerlichen Späße einen Widerwillen hatte; und das hatte ich den
Lehren und dem Beispiele meines Vaters zu verdanken, der in solchen Sachen ein sehr ernsthafter Mann
war. Daher war ich auch in allen großen Gesellschaften ernst und zurückhaltend. Wegen der vielen
Geschäfte konnte der Vater meine Erziehung nicht ganz übernehmen; er schickte mich also zu einem
Candidaten in die Schule. Dieser war ein großer Freund der Naturgeschichte, und auch ich mußte dieses Studium
sehr ernstlich betreiben. Wenn der Vater sich von seinen Geschäften erholen wollte, so erzählte er uns
[gew]öhnlich von den neuesten Zeitbegebenheiten und von fremden wilden Völkern. Unter andern kam er
auch auf die große Englische Mission nach Südindien zu sprechen, und erzählte uns viel von Otaheite.
Nun entstand plötzlich in mir der heiße Wunsch auch einmal den Heiden das Evangelium zu predigen.
Man bemerkte dies mit Wohlgefalllen, und //man// nannte mich den kleinen Heidenbekehrer. Dies war ohn-
gefähr in meinem 9ten Jahre, und ich fing damals auch an, kleine Predigten zu halten, wobey mir
das Gesinde zuhörte. Jedes Buch, das von wilden Völkern handelte, verschlang ich damals mit der größten
Begierde, und ich kann mich noch sehr wohl erinnern, daß ich mich dazumahl einst fest entschlossen hatte,
plötzlich wegzugehen, und mich unter die Heiden zu begeben. So viel ich mich noch besinnen kann, wollte ich
meine Tour über Wien nehmen. – Mein Vater merkte sehr wohl, daß es nicht gut seyn würde,
wenn ich immer zu Hause bliebe; er beschloß daher mich auf eine Schule zu schicken. Seine Wahl
fiel auf die berühmte Fürstenschule Pforte. Als es fort gehen sollte, that mein frommer
Vater noch etwas wichtiges. Die ganze Familie und einige meiner Freunde waren versammelt,
um von mir Abschied zu nehmen. Bey diesem rührenden Auftritt hielt mein Vater eine Rede, und
schickte ein feierliches Gebet gen Himmel, welches auf alle einen ausserordentlichen Eindruck
machte. Auf meiner Reise war ich immer traurig. Diese schwermüthige Stimmung benutzte