Benjamin Schultzens LebenslauffJ. N. J.
Aus Furcht und Besorglichkeit, ich möchte dies, was ich ietzo gedencke zu thun, wider
die aller Christlichste Tugend vornehmen, und da ich von der unverdienten Gnade Gottes
in Christo an mir erzeiget, zu erzählen gedächte, wider die Demuth selbst in so fern sündigen
in dem ich schiene hiermit bey Menschen etwas zu suchen, welches im Grunde hinter sich eine
falsche Absicht hegete nur we[l]tlichen Ruhm und Ehre bey einigen zu erjagen und zu erlangen.
Deshalben ich den viel Jahre angstanden und Bedencken getragen habe, ob ich von dergleichen
jemand etwas communiciren dürffte oder nicht? Endlich aber habe ich ietzo der Sache
weiter nachgedacht und befunden, daß es doch fast unmöglich sey mit meinem geführten Lebens-
lauffe gäntzlich verborgen zu bleiben, ob ich es gleich begehrte und wünschete, maßen ich ehe deßen
schon auf Erforderung meiner Superiorum in Europa zweymahl einen Aufsatz aushän-
digen müßen, und das so wohl in der lateinischen als teutschen Sprache, in welchem ich überhaupt,
doch nur kürtzlich angezeiget, was vor Wege Gott mit mir jemals gegangen und vorgenommen
habe. Dafern ich denn blos entschloßen bin dasjenige nur zu erzehlen, was Gott aus
lauter Barmhertzigkeit um Christi willen an meiner Seelen von der zartesten Jugend auf
zu thun bemühet gewesen, so kan ich ia dahero, wenn ich vernünfftiglich handeln will, nicht die ge-
ringste Ehre und Lob, die mir zu kommet, auf einerley Weise, mir anmaßen, sondern alles
Lob, Ehre, Ruhm und Preiß gehöret allein dem großen Gott zu, der alles in allen gethan. Allein
die Sache doch in guten Verstande genommen, so ist mir das in Wahrheit die allergröste Ehre
in Zeit und Ewigkeit, daß sich Gott meiner erbarmet und mich in Jesu Christo zu seinem
Kinde aus Gnaden angenommen hat. Ich werde dem nach von solchen wenig berühren, das
nicht zu diesem [... Feste betreffend, so ist es Son-]
nenburg in [...] Francfurt an der Oder gelegen. Mein Vater
ist ein Nahmhaffter und zu der Zeit ein sehr wohlhabender geseßener Bürger und Einwohner
gewesen, aber durch eine unglückliche Feuers Brunst, da das halbe Sonnenburg in die Asche ge-
leget worden, sehr herunter gekommmen, und da Er selbst bald darauf gestorben; so ist es
leicht zu erachten, wie es unter vielen Kindern den letzten zuergehen pfleget. Ich bin ge-
boren 1689. und den 7. Januarii ejusdem zur heiligen Tauffe befodert worden. Den
Namen Benjamin habe ich darum empfangen, weil ich das 12te Kind gewesen.
Ich kan dies in Wahrheit meinen Eltern zum guten Nachruff nachsagen, daß Sie mich
von allen bösen ab, und zu allen guten fleißig haben suchen anzuhalten. Was mein Vater
durch seinen frühzeitigen Tode an mir zu thun, nicht vermocht, in dem Er mich in meinem
4ten Jahre schon als Wayse verließ, das hat hernach doch meine Mutter nach allen ihrem Vermögen
zu ersetzen getracht. Mir ist nimmer erlaubet worden mit bösen Kindern auf der
Gaße schwätzen zu stehen, vielweniger mit ihnen wüste herum zu lauffen. Von Spielen und Kinder-
Poßen habe ich wenig mit angesehen oder Lust daran bezeuget. Carten und Würffeln habe
ich bis dato noch nicht kennen gelernet, ob ich schon alt worden. Denn wie kan man doch was
wissen, wenn mans in der Jugend nicht lernet? Hingegen bin ich also bald, als sichs nur
hat wollen thun laßen, gantz frühzeitig zur Schule gehalten worden, weil meiner Mutter Wunsch
und Vorsatz eintzig dahin gegangen, daß ich solte Theologie studiren und das ersetzen, was
an 2. Brüderen fruchtlos versuchet worden. Denn der eine starb in Torgau, eben als im Begriff,
war auf die Universität zu ziehen, der ander aber trat aus gewißen Ursachen von diesem Vor-
satz zurücke. So viel als ich mich besinnen kan, so weiß ich noch wohl die Umstände, da mir von
einem meiner Geschwister angekündiget ward, daß meine gute Tage nunmehr aus wären und
daß ich würde müßen anfangen in die Schule zugehen. Dieses erweckete bey mir in etwas eine
Traurigkeit, in dem ich es auch vor wahr also glaubete, allein da ich auf eine liebliche Weise nur
ein mahl war in der Schule gewesen und darzu auf meiner Mutter Anstifften beschencket worden
da hatte keiner größere Lust als ich in die Schule zu gehen. Innerhalb Monathszeit habe ich schon
die aller Christlichste Tugend vornehmen, und da ich von der unverdienten Gnade Gottes
in Christo an mir erzeiget, zu erzählen gedächte, wider die Demuth selbst in so fern sündigen
in dem ich schiene hiermit bey Menschen etwas zu suchen, welches im Grunde hinter sich eine
falsche Absicht hegete nur we[l]tlichen Ruhm und Ehre bey einigen zu erjagen und zu erlangen.
Deshalben ich den viel Jahre angstanden und Bedencken getragen habe, ob ich von dergleichen
jemand etwas communiciren dürffte oder nicht? Endlich aber habe ich ietzo der Sache
weiter nachgedacht und befunden, daß es doch fast unmöglich sey mit meinem geführten Lebens-
lauffe gäntzlich verborgen zu bleiben, ob ich es gleich begehrte und wünschete, maßen ich ehe deßen
schon auf Erforderung meiner Superiorum in Europa zweymahl einen Aufsatz aushän-
digen müßen, und das so wohl in der lateinischen als teutschen Sprache, in welchem ich überhaupt,
doch nur kürtzlich angezeiget, was vor Wege Gott mit mir jemals gegangen und vorgenommen
habe. Dafern ich denn blos entschloßen bin dasjenige nur zu erzehlen, was Gott aus
lauter Barmhertzigkeit um Christi willen an meiner Seelen von der zartesten Jugend auf
zu thun bemühet gewesen, so kan ich ia dahero, wenn ich vernünfftiglich handeln will, nicht die ge-
ringste Ehre und Lob, die mir zu kommet, auf einerley Weise, mir anmaßen, sondern alles
Lob, Ehre, Ruhm und Preiß gehöret allein dem großen Gott zu, der alles in allen gethan. Allein
die Sache doch in guten Verstande genommen, so ist mir das in Wahrheit die allergröste Ehre
in Zeit und Ewigkeit, daß sich Gott meiner erbarmet und mich in Jesu Christo zu seinem
Kinde aus Gnaden angenommen hat. Ich werde dem nach von solchen wenig berühren, das
nicht zu diesem [... Feste betreffend, so ist es Son-]
nenburg in [...] Francfurt an der Oder gelegen. Mein Vater
ist ein Nahmhaffter und zu der Zeit ein sehr wohlhabender geseßener Bürger und Einwohner
gewesen, aber durch eine unglückliche Feuers Brunst, da das halbe Sonnenburg in die Asche ge-
leget worden, sehr herunter gekommmen, und da Er selbst bald darauf gestorben; so ist es
leicht zu erachten, wie es unter vielen Kindern den letzten zuergehen pfleget. Ich bin ge-
boren 1689. und den 7. Januarii ejusdem zur heiligen Tauffe befodert worden. Den
Namen Benjamin habe ich darum empfangen, weil ich das 12te Kind gewesen.
Ich kan dies in Wahrheit meinen Eltern zum guten Nachruff nachsagen, daß Sie mich
von allen bösen ab, und zu allen guten fleißig haben suchen anzuhalten. Was mein Vater
durch seinen frühzeitigen Tode an mir zu thun, nicht vermocht, in dem Er mich in meinem
4ten Jahre schon als Wayse verließ, das hat hernach doch meine Mutter nach allen ihrem Vermögen
zu ersetzen getracht. Mir ist nimmer erlaubet worden mit bösen Kindern auf der
Gaße schwätzen zu stehen, vielweniger mit ihnen wüste herum zu lauffen. Von Spielen und Kinder-
Poßen habe ich wenig mit angesehen oder Lust daran bezeuget. Carten und Würffeln habe
ich bis dato noch nicht kennen gelernet, ob ich schon alt worden. Denn wie kan man doch was
wissen, wenn mans in der Jugend nicht lernet? Hingegen bin ich also bald, als sichs nur
hat wollen thun laßen, gantz frühzeitig zur Schule gehalten worden, weil meiner Mutter Wunsch
und Vorsatz eintzig dahin gegangen, daß ich solte Theologie studiren und das ersetzen, was
an 2. Brüderen fruchtlos versuchet worden. Denn der eine starb in Torgau, eben als im Begriff,
war auf die Universität zu ziehen, der ander aber trat aus gewißen Ursachen von diesem Vor-
satz zurücke. So viel als ich mich besinnen kan, so weiß ich noch wohl die Umstände, da mir von
einem meiner Geschwister angekündiget ward, daß meine gute Tage nunmehr aus wären und
daß ich würde müßen anfangen in die Schule zugehen. Dieses erweckete bey mir in etwas eine
Traurigkeit, in dem ich es auch vor wahr also glaubete, allein da ich auf eine liebliche Weise nur
ein mahl war in der Schule gewesen und darzu auf meiner Mutter Anstifften beschencket worden
da hatte keiner größere Lust als ich in die Schule zu gehen. Innerhalb Monathszeit habe ich schon
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