Ps. 103, 8.
Barmherzig und gnädig ist der HErr, geduldig und von
großer Güte. Diese Worte des Königs und Propheten Davids
kan ich gar füglich zum Grunde legen, wenn von meinem bis-
herigen Leben und Führungen Gottes etwas aufzeichnen soll:
da sich in denselben überall Spuren der grossen Barmherzig-
keit, Gnade, Geduld und Güte sehen lassen.
Gleich im ersten Monath, neml. d. 6ten Jan. des 1742ten Jahrs
ließ mich des HErr des Lebens zu Stadthagen in der Grafschaft-
Schaumburg-Lippe g von ziemlich armen, doch christlichen Eltern
geboren werden. Mein sel. Vater ist gewesen Joh. Christoph
Leidemann aus Berlin, und meine Mutter Sophia Dorothea //geb.// Ro-
kohrs aus Springe ohnweit Hannover, gebürtig. Erster, mein
Vater ist ao. 1760 wie ich gewiß hoffe, selig verstorben.
Meine Mutter aber ist, so lange Gott will, noch am Leben.
Diese meine Eltern haben denn bald nach meiner Geburt dafür
gesorget, daß ich durch die heil. Taufe möchte in den Bund mit
Gott aufgenommen werden, auch nachher alles daran gewandt
daß ich den Gott, dem ich gewidmet worden, möchte näher kennen
lernen. Sie liessen mich daher schon im 3ten Jahr meines Alters
zu einer alten gottseligen Schulhalterin, welche mich im lesen
und Christenthum unterrichtete. Dabey sich denn mein Vater
selbst die Mühe nahm mich tägl. nach Gelegenheit im lesen zu üben.
Nach einigen Jahren wurde ich auf das dasige Waysenhaus
zur Schule geschickt, da sich denn der damalige Inspector,
jetzige Pastor zu Lauenhagen, Herr Schulze, wie auch der vor
Pareaeceptorm jetzige Pastor zu Bückeburg, Herr Duve, meiner
mit ganz besonderer Treue und Fleiß annahmen. Da nun
letzterer nach einigen Jahren als Subconrector u. Cantor an
die Stadtschule in Stadthagen vocirt wurde, so bewog er
meinen Vater mich auf die Stadtschule zu schicken: Da
er sich nicht zugleich erbot mich nicht nur in seine Classe, sondern
auch in sein Haus zu nehmen, und auf alle weise zum Studiren be-
förderlich zu seyn, welches denn auch geschahe, und ich wurde ausser
den gewöhnlichen Schulstunden, nebst wenigen andern auch in der
Vocal-Music unterrichtet. Als aber dieser Mann nach einiger
Zeit nach Bückeburg ins Predigtamt beruffen wurde, so verlohr
ich dadurch meine grösseste leiblich Stütze in Absicht des Studirens,
und zugleich auch die Hofnung mein Studiren fortsetzen zu können.
Gott gab mir dadurch deutlich zu erkennen, daß es nicht gut sey, auf