Ebenezer den 1 Mertz st. v. 1737
 
HochEhrwürdiger et cetera
Im Herrn theurer und Werther
Herr Professor,
 
Unsere Briefe vom 19 Junii und 6 Octobr. des vorigen Jahres werden
Ew. HochEhrwürden hoffentl. nebst denen eingeschickten Diariis längst zu
Händen gekommen seyn, ob wir wohl weder von London, noch Ausgspurg
und Halle davon keine Nachricht bekommen haben. Seit dem haben
uns die Umstände der Gemeine etliche mahl genöthiget an dem Herrn
HoffPrediger Ziegenhagen zu schreiben, und ist alle Zeit die Fortsetzung
des Diarii mit beygeschloßen worden, daraus Sie u. andere Werthen
Gönner zwar manche traurige materie zur Fürbitte, aber auch
zum Lobe des Herrn, der uns als unser Erbarmer noch immer wunder-
bahr geführet, werden erkandt haben. Gott findet es noch immer
nötig uns manche äuserliche Last aufzulegen, weil er bey den
wenigsten //meisten// unter uns seinen damit gesuchten Zweck wohl noch
nicht recht erreichen können: Specialia davon stehen im Diario.
Die Seinigen hat der Herr gewis unter uns, die auch unter allen
Prüfungen die Probe halten, und in der Erkentniß ihrer selbst
und der theuren Gnade in Christo, die höher als Himmel und Erde und
alle leibliche Vortheile zu achten, gar fein zunehmen. Und solche
Seelen geben uns mehr Erquickung, als uns etwan die
Erfahrung dieser und jener leiblichen Noth, Traurigkeit bringen kann.
Zu dieser Zahl der Rechtschaffnen hat der liebe Gott noch immer in der
vergangenen u. gegenwärtigen Zeit einige, die ihre Heucheley
und Boßheit des Hertzens mit kirchlichem und häußlichen geistlichen
Übungen verdeckt gehalten, hinzugethan, welche ietzt durch seine
große Barmhertzigkeit, gleich den Bäumen im Frühlinge, anfan-
gen lieblich auszuschlagen u. zu grünen, so daß man sich bald
der rechten Gottgefälligen Früchte der Buße zum Lobe unsers treu-
en Erbarmers wird zu erfreuen haben. Was kan doch Lehrern
bey aller ihrer Arbeit süßer und erfreulicher seyn, als wenn
Zuhörer das verkündigte Evangelium nicht nur lieben und appro-
biren, sondern sich auch dadurch zur wahren Bekehrung und
rechtschaffnen Christenthum bringen laßen! Solche Freude ist mit
keiner andern in diesem Leben zu vergleichen, und giebt Muth und
Freudigkeit auch bey denen mit Bitten, Warnen, Ermahnen
und Vorstellungen anzuhalten, die entweder noch frech oder träge
sind. An solchen fehlet es ja wohl unter uns auch nicht: und
ist es nur Gottes Barmhertzigkeit, daß er manchen in der Gemeine
offenbahr werden laßen, den man sonst vor beßer gehalten,
aber bey allem Schein ein unbekehrt Hertz gehabt, daher man
nach Beschaffenheit ihres offenbahr gewordenen Seelen-Zustandes