I. N. I.
Dem geliebten Leser wünsche ich von Gott Gnade und Barm-
hertzigkeit zu seinem Zeitlichen und Ewigen Wohlseyn.
 
Ich erinnere mich noch, daß ich Beides in dem Lauffe meines
Christenthums, als auch in meinem Studio Theologico, sehr er
wecket und aufgemuntert be worden bin, wenn ich mit ge-
bührenden nachdencken diejenigen wunderbahren Führungen
gelesen oder gehöret, die Gott jederzeit seinen getreuen Die-
nern und Freunden in der Welt hat wiederfahren lassen. Dahero
achte ich es nicht undienlich zu sein, wenn ich allhier anstatt mei
einer Vorrede, zum Preiß göttlicher Gnade und zur Aufmunterung
des christlichen Lesers, diejenigen Fata und wunderbahre Führun-
gen erzehle, die mir von Jugend auf biß hierher, durch die weiße
Direktion Gottes wiederfahren sind. Ich wurde geboren Anno.
1683 am Tage Johannes in Pulßnitz, so da in Oberlaußnitz
an der Meißnischen Grentze gelegen ist. Meine seelige Eltern
wurden mir sehr zeitig entrissen, so, daß ich sie wenig gekant,
ohne daß ich mich noch zu erinnern weiß, wie meine Mutter
auf ihren Todtbette uns Kinder alle zu sich kommen ließ, zu
uns sagende: Lieben Kinder, ich habe euch einen großen Schatz
gesamlet, einen sehr großen Schatz habe ich euch gesamlet.
Als denn meine elteste Schwester sie fragete: Liebe Mutter
wo habt ihr doch denselbigen Schatz? So antwortete sie: Suchet ihr
in der Bibel, meine lieben Kinder, da werdet ihr ihn finden. Denn
ich habe ein jedwedes Blat mit meinen Thränen genetzet. Solche
Rede ging uns Kindern sehr zu Herzen, und pflegten uns offtmahls
deßen unter einander zu erinnern. Ich wurde in deßen von mei-
ner eltesten Schwester erzogen und fleißig zur Schule und zur
Lesung göttlichen Wortes gehalten. Da fing Gott an, kräfftig
an meiner Seelen zu arbeiten, so daß ich mich niemals der Ge-
dancken von dem Himmel und von der Hölle entschlagen konte
kunte. Darbey fühlete ich harte Bestraffungen in meinem Ge-
müthe, wenn ich etwas Böses begangen hatte. Wenn jemand
sturb, so gedachte ich allezeit, wo mag diese Seele wohl hinge-